ISE

Ein Aperçu:  Sozialethik in 100 Jahren SEK

Persönliche Rückschau von Hans-Balz Peter

Gründungszeit und Anfangsjahre

Sozialethische Themen und gesellschaftspolitische Anliegen zur Wirtschafts-, Sozial- oder Bildungspolitik waren keineswegs die wichtigsten Antriebskräfte für die Gründung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenverbandes. Nein, der Begriff Sozialethik war noch nicht einmal geläufig für die Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund, der seinen Namen erst in quasi letzter Minute erhielt. Ein «Kirchenbund» sollte mehr Verbindlichkeit ausstrahlen.

Weder die weiter verbreitete Familienarmut in der Schweiz – nach vier Jahren Aktivdienst für eine grosse Zahl von Männern im besten Alter, mit geringem Sold und ohne Erwerbsersatz – noch die Folgen der Spanischen Grippe mit etwa 25‘000 Toten –  noch die Folgerungen aus dem Landesstreik vom November 1918 sowie den anschliessenden lokalen Streiks infolge verheerender Versorgungslage fand ich in den Unterlagen nicht thematisiert. Ausser einer scheinen die neun Forderungen aus dem Landesstreik, darunter Proporzwahl des Nationalrats, Frauenstimmrecht sowie die 48-Stunden Woche und verbesserte Lebensmittelversorgung, keine Anliegen gewesen zu sein, mit denen sich die reformierten Kirchen in der Gründungsphase des Kirchenbundes auseinander setzten. Zu der einen Forderung beschloss die SEK-Gründungsversammlung, den eidgenössischen Behörden eine Botschaft zur Befürwortung der Einführung einer Alters- und Hinterbliebenenversicherung zu überreichen.[1] Dabei hatten die prekären Arbeitsverhältnisse insbesondere die Landeskirchen, die von der Industrialisierung stark erfasst worden waren, viel früher beschäftigt. Sie begannen jenseits herkömmlicher Vorurteile (Trunksucht, Faulheit) sich mit «der sozialen Frage» auseinander zu setzen. Das Beispiel des Kantons Glarus zeigt einen ungeahnten Erfolg, hat doch der Einsatz von Pfarrer Becker wesentlich zur Schaffung eines eidgenössischen Fabrikgesetztes geführt.[2] Der junge Kirchenbund hingegen war in viel stärkerem Masse als «gegen Innen», also z.B. sozialpolitisch, «gegen aussen» engagiert, einerseits in der Friedensfrage, anderseits für die Hilfe und den Wiederaufbau in Europa nach dem Weltkrieg.

Einsatz für den Frieden

Die Friedensaktivitäten erfolgten allerdings noch kaum als kirchliche Institution, sondern durch das persönliche Engagement mehrerer herausragender Kirchenführer aus der West- und Deutschschweiz schon kurz nach der Jahrhundertwende im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen[3] und im Hinblick auf die von US-Präsident Wilson initiierte Gründung des Völkerbundes 1920[4]. Die Tatsache, dass der Völkerbundsvertrag von der Friedenskonferenz (mehrheitlich Siegermächte) zum Bestandteil der Versailler Friedensverträge erklärt wurde, hat auch in der Schweiz Anlass zu heftigem theologischem und politischen Streit um die Frage der schweizerischen Mitgliedschaft im Völkerbund. Namentlich Leonhard Ragaz setzte sich im Rahmen der Religiös-sozialen Bewegung vehement für den Beitritt ein.[5] Am 16. Mai 1919 stimmte das Schweizer (Männer-)Stimmvolk bei höchster Stimmbeteiligung (>77%) dem Beitritt mit 56.3% zu (allerdings bei äusserst knappem Ständemehr)[6]. Die Aktivitäten des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen führten indirekt – aufgrund der Initiative und Einladung des schwedischen Erzbischofs Soederblom zur Genfer Konferenz von 1920[7] – der ersten ökumenischen Weltkonferenz für Praktisches Christentum.[8]

Wiederaufbau

Das zweite grosse Engagement des neu gegründeten Kirchenbundes zielte auf die Organisation und Koordination der kirchlichen Hilfe am Wiederaufbau der kriegszerstörten Länder. Starke Impulse kamen aus der den USA. Auf Einladung des Federal Council der amerikanischen Kirchen bereiste Adolf Keller, der spätere langjährige Sekretär des SEK[9] die amerikanischen Kirchen und begegnete hohen Erwartung an die europäischen Kirchen. Keller und der SEK lancierten 1920 eine Sammelaktion für kirchliche Hilfe in kriegsgeschädigten Ländern, und mit Unterstützung des Federal Council wurde 1922 die Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen für den Wiederaufbau in europäischer Gemeinden mit Sitz in Zürich gegründet, die unter Leitung von Adolf Keller bis 1945 tätig war.[10] Die Nachfolge übernahm das vom SEK 1946 gegründete Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS).

Jahrzehnte im Zeichen der «sozialen Frage»

Nach diesem Blick auf die Gründungszeit des SEK – und einer dichten Fülle weiterer historischer Ereignisse um das Ende des 1. Weltkrieges – will ich mit grossen Schritten durch die nachfolgenden Jahrzehnte der SEK-Geschichte eilen und nur wenige Stationen hervorheben. 1925 empfingen die protestantischen Kirchen nochmals kräftig Schub für ihr diakonisches und sozialethisches Wirken durch die Stockholm Konferenz für Praktisches Christentum 1925.[11] Der Kirchenbund war nicht nur prominent vertreten, sondern trug mit seinen Thesen[12] zu den internationalen Beziehungen schon in der Vorbereitung zur Konferenz bei.

Vor den Kirchenoberen haben zahlreiche Pfarrer (noch nicht Pfarrpersonen, weil es ausschliesslich Männer waren), nicht nur aus dem religiös-sozialen Lager, immer wieder darauf gedrängt, dass sich die Kirchen der schwierigen «sozialen Frage» annehmen müssten. Um Stockholm 1925 herum kristallisierten sich diese Impulse im Rahmen der Prediger-Gesellschaft (später Schweizerischer Reformierter Pfarrverein), die 1925 die Studienkommission für soziale Arbeit schuf, als «erste schweizerische Einrichtung für sozialethische Reflexion und Praxis»[13]. Sie befasste sich, zum Teil mit fachmännischer Unterstützung aus verschiedenen Disziplinen, mit allen wesentlichen gesellschafts- und sozialpolitischen Fragen und unterstützte damit die kirchlich-sozialethische Arbeit auch immer wieder durch kritische Anregungen und Herausforderungen.

Noch mitten im europäischen Wiederaufbau riss die Weltwirtschaftskrise von 1929 die verbunden Volkswirtschaften in einen tiefen Strudel, der vor allem auf Konsum und Beschäftigung drückte und zu breiter Arbeitslosigkeit führte. Darunter litt auch die Schweiz. Der Vorstand des SEK zeigte sich «tief besorgt von der Sorge und Not … und hat diesem herzlichen Mitgefühl in einem Aufruf an das kirchliche Volk der Schweiz Ausdruck gegeben»[14]. Für die vertiefte Behandlung der mit der Arbeitslosigkeit verbundenen Probleme, setzte der Rat 1930/31 erstmals ein besonderes Organ ein, die Soziale Kommission des SEK[15]: insgesamt 17 Fachpersonen aus Theologie, Kirche, Wirtschaftsverbänden, Politik und Wirtschaft erarbeiteten, ebenfalls unter Leitung des unermüdlichen Adolf Keller, eine Darstellung und Analyse der Arbeitslosigkeit und formulierten Aufgaben der Kirche in wirtschaftsethischer Hinsicht[16].

Vorreiter der modernen Sozialethik

Inzwischen hatte sich nicht nur im Bereich der Gesellschaft, Politik und Kirchen ein starker Wandel vollzogen, vielmehr auch im Bereich der Wissenschaften und nicht zuletzt der Theologie. Waren praktisch-ethische Fragen lange Zeit primär von kirchlich gesehen ‚randständigen‘ Theologen aus dem Umfeld des Pietismus, später der religiös-sozialen Bewegung, aufgegriffen worden, so hat sich das – im Blick auf die Schweiz – mit den grossen Namen Karl Barth und Emil Brunner radikal verändert. Die Ethik beendete ihr Schattendasein. Ich greife wild aus der Fülle heraus: 1923 erschien Albert Schweitzers Kultur und Ethik mit der ethischen Maxime der «Gesinnung der Ehrfurcht vor dem Leben». Ab ca. 1905 schon entwickelte sich die «Reich-Gottes-Ethik», wie ich sie nennen möchte[17] von Leonhard Ragaz[18]. Darauf folgte die «Ethik auf Grundlage der Dialektischen Theologie: Karl Barth», Ethik (1928/29), Kirchliche Dogmatik: Gottes Gebot (KD II/2); Die Lehre von der Schöpfung (KD III/4, 1945-51), und Emil Brunners Das Gebot und die Ordnungen (1932), Gerechtigkeit – Eine Lehre von den Grundgesetzen der Gesellschaftsordnung (1943). Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt auch für die theologische Ethik eine neue Zeit an: Welche Aufgabe hat sie, nach der Verblendung weitester Kreise von Christen und Kirchen?[19] Welche Aufgaben der sittlichen Haltung und Gestaltung der Gesellschaft, von Wirtschaft, Politik und Kultur kommen auf die Einzelnen und die Kirchen zu? Dies ist eigentlich die Geburtsstunde der modernen Sozialethik im 20. Jahrhundert.

Die Mitte – Aufbruch in der Sozialethik

Der Aufbruch erfolgte nahezu gleichzeitig in der römisch-katholischen wie der protestantischen Theologie/Kirche in der Wende der 1950er zu den 60er Jahren.[20] Kennzeichen dieser modernen Sozialethik ist ihr Aufgreifen grundlegender – sog. struktureller, darum auch als Strukturenethik bezeichnet – gesellschaftlicher Probleme. Dies geschah in Auseinandersetzung mit den modernen Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (die philosophische Ethik war an konkret gesellschaftsbezogenen Fragestellungen noch nicht interessiert). Bis in die Nachkriegszeit wurde Sozialethik noch vorwiegend von theologischen Ethikern im Alleingang betrieben: So fragte man sich zuweilen, woher etwa Karl Barth in seiner Arbeitsethik oder Emil Brunner in Gerechtigkeit den Sachverstand und die Informationen her bezogen, weil kaum eine Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen nationalökonomischen Literatur zu sehen ist. Die moderne Sozialethik verlangte auch nach einer neuen Methodik der Kooperation und Auseinandersetzung mit Soziologie und Nationalökonomie. Die Volkswirtschaftslehre und Sozialökonomie waren Disziplinen, die an den Universitäten noch weitgehend voneinander abgeschottet gelehrt wurden.

Persönliche Erinnerung an das Institut für Sozialethik

Mein Debut in Sozialethik war im Jahre 1964, in Form einer Seminar-/Lizentiatsarbeit am Sozialökonomischen Seminar der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Uni Zürich[21]. Ich war mit dem Interesse nicht allein, katholische Kommilitonen befassten sich fast gleichzeitig mit der Soziallehre der Päpste.[22] Wir waren somit keineswegs 68er, als die wir später manchmal anerkennend, meist aber als «dem Teufel vom Karren gefallen» etikettiert wurden, sondern eben in den politischen Annalen nicht sichtbare 64er. Damals hatte ich noch weder Kenntnis von den Lehrveranstaltungen von Prof. Arthur Rich (die theologische Fakultät war für uns tatsächlich ‚jenseits‘), noch von dem im selben Jahr gegründeten Institut für Sozialethik der Universität Zürich in der Theologischen Fakultät. In dessen Dienst ich 1966 nach Studienabschluss in Sozialökonomie als sozialökonomischer Assistent eintrat. Dafür musste in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät wahrhaft gekämpft werden.

Im Gründungsjahr des Instituts für Sozialethik an der Uni Zürich erschien auch die zweite Auflage meines Erstlings[23]. Rich beschreibt, wie er das Buch angesichts der neuen Erkenntnisse aus der Lektüre volks- und betriebswirtschaftlicher Literatur und aus Besuchen und Gesprächen in zahlreichen Industrieunternehmungen «von Grund auf neu schreiben» musste. «Eine markante Zäsur in meiner dritten Lebensphase.»[24] Das ‚Institut Rich‘ ist damit «zum ersten institutionalisierten Stützpunkt der Sozialethik in unserem Land geworden», mit dem Ziel, das auch zu meinem Ziel und Lebensinhalt wurde: Eine tragfähige Vermittlung zwischen Theologie und Sozial- bzw. Wirtschaftswissenschaften einerseits; und sozialethischer Theorie und Praxis anderseits.[25]

Ein Kulminationspunkt: Die Weltkonferenz 1996 in Genf

Nicht nur in Europa, auch England und in den USA (Social Gospel Bewegung), namentlich aber in der sog. Dritten Welt wuchs das Interesse und der Bedarf an neuer sozialethischer Orientierung in der sich rapide verändernden Welt-Gesellschaft. Kulminationspunkt war die Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft 12.-26. Juni 1966 in Genf. Ihr ging ein aussergewöhnlicher Vorbereitungsprozess voraus mit intensiven weltweiten theologischen und ethischen Debatten und Publikationen, sowohl in thematischer, theologisch-ethischer und wissenschaftlicher wie auch geographisch weltumspannender Hinsicht[26]. Und zwar auch in der Schweiz[27], die an der Konferenz[28] mit fünf Delegierten prominent vertreten war. Unter ihnen Arthur Rich und Hans ten Doornkaat (vom Institut für Sozialethik in Zürich) und, typisch für die Struktur dieser Konferenz, zwei Industrielle (Elisabeth Feller und Dr.rer.pol. Christian Gasser). Es gehörte zum Grundkonzept, dass die Teilnehmer nicht einfach von ihren Kirchen abgeordnet wurden (weil «dadurch die Vertretung der Kirchenführer zu gross geworden wäre»), sondern nach bestimmten Kriterien des OeRK-Zentralausschusses ausgewählt wurden: Dies «um eine angemessene Beteiligung von Theologen und Laien der verschiedenen Fachgebiete…und der nichtwestlichen Welt» sicher zu stellen[29]. Ziel der Konferenz war, Theologen mit Vertretern der Sozial- und weiteren Wissenschaften mit der Entwicklung neuer Formen der Gesellschaft in der gegenwärtigen Welt betrauen. Die Zeit war von technischen und sozialen Revolutionen geprägt, etwa der Eroberung des Weltalls mit dem Ost-West-Wettbewerb um die erste Mondlandung; vom Kalten Krieg und Vietnam-Krieg ab Mitte der 60er Jahre, um nur drei Stichworte zu nennen. Gearbeitet wurde, je auf Grundlage umfangreicher Vorbereitungen, in sechs Sektionen[30] und drei Arbeitsgruppen[31]. Zum Beispiel auch zum neuen topic einer Theologie der Revolution mit der Schwierigkeit, dass im deutschen Sprachraum Revolution ganz anders verstanden wurde als im angelsächsischen. Die Beratungen mündeten auf eine im Plenum angenommene Botschaft der Konferenz mit einem «Ruf zur Busse und Erkenntnis des göttlichen Gerichts über uns», aber auch einem dringenden «Appell zu wirksamerem und entschiedenerem Handeln als Ausdruck unseres Zeugnisses vom Evangelium in der Welt, in der wir leben».[32]

Weiterarbeit im Kirchenbund

Der Appell wurde gehört, auch in der Schweiz. Der Kirchenbund widmete ihrer Nacharbeit –meines Wissens erstmals – eine ausserordentliche Abgeordnetenversammlung.[33] Das führte gewiss zu einem breiteren Sich-Einlassen auf gesellschaftliche Probleme und zur vertieften Auseinandersetzungen mit Gegenstand und Methode der Sozialethik in der schweizerischen Pfarrschaft und der theologischen Ausbildung in den Landeskirchen. Nicht zuletzt veränderte der Appell zahlreiche Kirchgemeinden, wie ich das selber als Mitglied einer Kirchenpflege (Zürich-Friesenberg) und Leiter der dortigen ‚Jungen Kirche‘ erfahren habe. Vor allem ebnete die Beschäftigung mit der modernen Gesellschaft in der Kirchen den Weg für zwei nachhaltige institutionelle Entwicklungen.

Schon kurz nach der Konferenz von 1966 begann Hans Ruh als Theologischer Sekretär und mit Rückendeckung des Ausschusses für soziale Fragen des SEK mit aller ihm zur Gebote stehenden Kommunikations- und Überzeugungskunst, sich für die Idee eines sozialethischen Instituts beim Kirchenbund einzusetzen. Er war schon damals ausserordentlich gut vernetzt, wie man heute sagen würde. Parallel dazu gelang ihm die Verwirklichung eines ebenso ‚verrückten‘ Konzepts, einer grossen Interkonfessionellen Konferenz Schweiz und Dritte im Bundeshaus. Die Vorbereitungen begannen 1967. Daran war ich brennend interessiert. Denn ich hatte mich seit 1963 vertieft mit der Entwicklungsproblematik auseinandergesetzt, z.B. mit ‚meiner‘ Jungen Kirche Friesenberg eine Ausstellung im Kirchgemeindehaus Zürich-Friesenberg durchgeführt und 1968 am Institut für Sozialethik der Uni Zürich eine Schrift «Weltarmut und unsere Mitverantwortung» herausgegeben. Vermutlich darum wurde ich von Hans Ruh in den Vorbereitungskreis für die Interkonfessionelle Konferenz beigezogen. Und ich konnte an den beiden Sessionen 1969 -1970 – in den Rängen des Nationalrats­saales zwischen meiner späteren Frau Sigrid Peter, die sich als Sozialarbeiterin mit der Thematik befasste, und dem damaligen Vizedirektor des ‚Dienstes für technische Zusammenarbeit‘ Botschafter Richard Pestalozzi sitzend, teilnehmen. Ich kann hier auf weitere Ausführungen zu diesem Meilenstein in der Entwicklungspolitik der Schweiz verzichten, da Hans Ruh diese Geschichte in «Ich habe mich eingemischt» – dies war der wohl häufigste Vorwurf an konkret ausgerichtete Sozialethik der Kirchen, die sich doch ‚eigentlich‘ um Seelsorge und nicht um Politik oder Wirtschaft kümmern sollten – trefflich schildert.[34]

Der grossen Resonanz dieser Konferenz folgte eine beachtliche Nacharbeit[35]. Unter anderem wurde ein Fortsetzungsausschuss geschaffen: Die Interkonfessionellen Kommission für Entwicklungsfragen (IKEF), für deren Geschäftsführung ich bis zu deren Ende verantwortlich war. Nebst den engagierten Kirchen- und Hilfswerkvertretern war die IKEF vornehmlich von Verbandsfunktionären aus der Wirtschaft besetzt. So gab es zwar heftige Debatten, doch produzierte die Kommission nach meiner Erinnerung wenig Sichtbares.[36] Das wichtige Dialoganliegen, für das die IKEF eigentlich geschaffen worden war, konnten später im Gesprächskreis Kirche-Wirtschaft wirkungsvoller realisiert werden.[37] Eine weitere Konsequenz war ein aussergewöhnlicher Entscheid des Schweizerischen Evangelischen Missionsrates, der eine nachhaltige Weichenstellung in meinem Leben bewirkte, auf den ich zurückkomme.

Die Gründung – Das Institut für Sozialethik des SEK 1971 – 2004

Das in meinen Augen wichtigste Konzept von Hans Ruh harrte noch der Realisierung: die Vorbereitung und Gründung des Instituts für Sozialethik des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes. Die Gründung kann man als direkte Frucht der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft von 1966 betrachten, die allerdings nicht wie von alleine reifte, sondern um- und weitsichtiger Abklärungen, Verhandlungen, und der Unterstützung wichtiger Personen aus Kirche, Wissenschaften und Politik bedurfte. Am besten liest man dazu die persönlichen Erinnerungen von Hans Ruh[38]. Das Institut ise-ies wurde anlässlich des 50jährigen Jubiläums des SEK im Sommer 1970 durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung in Braunwald gegründet und mit einem eigenen Statut ausgestattet. Dieses bestimmte etwa, dass das Institut wohl im Auftrag des SEK-Vorstandes, aber inhaltlich wissenschaftlich unabhängig arbeite.

Das ise-ies nahm Frühjahr 1971 seine Arbeit auf, mit einer personellen Ausstattung, die dem immensen Auftrag eigentlich nie entsprach: mit Hans Ruh, dem bisherigen theologischen Mitarbeiter des SEK, als Leiter (er hatte inzwischen nebenbei seine Habilitationsschrift abgeschlossen und damit eine theoretische Grundlage für kirchliche Sozialethik gelegt); Pfarrer und Soziologe Roland J. Campiche[39] in Lausanne; und mir als Dritten im Bunde. Hans Ruh arbeitete am Sitz des SEK in Bern, Roland Campiche eröffnete statutgemäss das Bureau romand de l’ies in Lausanne. Im Unterschied zu ihnen war ich nicht vom SEK besoldet, und mein Büro Entwicklungsstudien war an meinem Wohnsitz in Adliswil. Der Schweizerische Evangelische Missionsrat (SEMR) hatte mit einer Delegation an der Interkonfessionellen Konferenz Schweiz und Dritte Welt teilgenommen und war entschlossen, eine der Aufforderungen der Konferenz in die Tat umzusetzen. Ein der Grundeinsichten für die Kirchen war, wie sehr das bisher in ihren Kreisen vorwiegend unter den Aspekten Mission (in ihrer modernen Form als Kooperation mit und Unterstützung von sog. jungen Kirchen in der Dritten Welt) und Entwicklungshilfe entwickelte Engagement mit komplexen Problemen der internationalen Finanz- und Handelbeziehungen verschränkt ist.[40] Angesichts des Auseinanderklaffens von radikalen Forderungen der weltgesellschaftlichen Umgestaltung (Jugend, z.T. Kirchen- und Missionsleute), wurden den Kirchen nahegelegt, reformerischer Verbesserung der gegebenen Strukturen (Wirtschafts-, z.T. Wissenschafts- und Kirchenvertreter) innerhalb ihres Bereichs den entwicklungspolitischen Sachverstand zu verstärken. So wollte man im Dialog mit den beiden Polen Wege und Entwicklungsstrategien finden, die dereinst im Stimmvolk und in der Politik, mehrheitsfähige Reformen werden können. Der SEMR zog daraus den Schluss, dass es für die Zukunft entwicklungsorientierter Missionstätigkeit, aber vor allem auch für die Stärkung des innerschweizerischen Dialogs wichtig sein, die Stelle eines Wirtschaftsfachmannes zu schaffen. Die Leitung des SEMR wurde auf meine Person aufmerksam und wir einigten uns auf einen Arbeitsvertrag[41]. Nur wusste man noch nicht, wo man meine Stelle organisatorisch angliedern sollte. Als der SEMR von Gründung ise-ies hörte, setzte er sich mit dem Vorstand des SEK und Hans Ruh in Verbindung. So begann meine Anstellung im Frühjahr 1971, besoldet und beauftragt vom SEMR, aber eingegliedert in das interdisziplinäre Team des ise-ies. Weil ich inzwischen mit einem Lehrauftrag an der Uni Zürich[42] betraut worden war, konnte ich meine Arbeitsstelle Entwicklungsstudien an meinem Wohnsitz in Adliswil führen. In späteren Jahren wurde der SEMR als Träger- und Auftragsorganisation auf BFA übertragen und nach meiner Wahl zum Institutsleiter 1983 willigte BFA ein, statt der bisherigen Besoldung einen zweckgebundenen Finanzbeitrag von BFA an den SEK einzurichten. Auch gute Ideen benötigen bisweilen bürokratische Strukturen und Entwicklungen.

Meine erste Aufgabe am ise-ies war denn auch, die Interkonfessionelle Konferenz nach Folgerungen, vor allem ‚Offenen Fragen‘ für die Kirchen aufzuarbeiten. Mit dieser Schrift eröffneten wir die Reihe Studien und Berichte aus dem Institut für Sozialethik des SEK (parallel in Französisch Etudes et Rapports). In dieser Schriftenreihe publizierten wir bis zum Ende 2004 insgesamt 60 Nummern, in denen wir uns mit praktisch allen grundlegenden gesellschaftpolitischen Probleme befassten, die in diesen Jahrzehnten Kirche und Öffentlichkeit beschäftigten (oder aus sozialethischer Sicht: beschäftigen sollten). Da grundsätzliche Fragen aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik oft dann aktuell debattiert werden, wenn es darüber zu Verfassungsänderungen und Volksabstimmungen kommt; und weil Volksinitiativen, die zu solchen Änderungen anstossen wollen, in den früheren Jahrzehnten meist aus dem Kreise der Sozialdemokratischen oder der Grünen Partei lanciert wurden, trug uns dies gelegentlich den Vorwurf ein, wir würden uns nur mit linken Themen befassen. Das musste man ertragen. Aber nicht rechts oder links war unser Auswahlkriterium, sondern ob es sich um ein tagespolitisches oder eben ein weitreichendes Grundsatzproblem handle. Und Verfassungsänderungen gehören eigentlich zwangsläufig in diese Kategorie.

Kontinuierliche sozialethische Arbeit

Ich will nicht – und es wäre auch in Kürze kaum möglich – alle die Themen ansprechen, die wir in den grundsätzlichen Studien bearbeiteten, da hilft ein Blick in die Publikationsliste des ise-ies[43], die auch die zahlreichen weiteren Schriften umfasst[44]. Während den 70er bis gegen die Mitte der 90er Jahre[45] hinein konnten wir unsere Arbeit eigentlich von sicherem Boden aus leisten. Auf der Grundlage eines breiten, wie selbstverständlichen Einverständnisses, über die Funktion und Bedeutung der Sozialethik für Kirchen und Gesellschaft. Das gilt sowohl für den Vorstand und späteren Rat des SEK, dem wir jährlich unsere Arbeitsprogramme und Jahresberichte zur Genehmigung vorlegen mussten, und natürlich in erster Linie für die als Institutskommission wirkende Kommission für soziale Fragen des unter jeweils hervorragenden Präsidenten. Dies waren die je in ihren Kirchen stark verankerten Felix Tschudi[46], Ernst Meili und Paul Jäggi. Sie begleiteten und berieten uns in wachsam kritischer, aber der gemeinsamen Sache engagierten Solidarität. Das tragende Einverständnis zur Bedeutung kirchlicher Sozialethik erfuhren wir mehrheitlich auch von der Abgeordnetenversammlung, die nicht zuletzt über unsere finanzielle Grundlage zu befinden hatte und wo es natürlich immer wieder kritische Fragen gab, weil wir im Budget des Kirchenbunds der grösste Kostenfaktor waren: Muss das sein? Unterstützung kam auch aus dem Kreis der SEK-Mitgliedkirchen und ihren Mitarbeitenden. Mit ihnen waren wir in gutem Austausch, da wir sie jedes Jahr als Beirat des ise-ies zur einer Konferenz einladen konnten, an der wir aktuelle Projekte zur Debatte stellten. Die Verankerung unserer Arbeit in mittragenden kirchlichen und interdisziplinär zusammengesetzten Gremien verhalf uns sehr dazu, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Sie hielten uns auch dazu an, uns mit Einwänden aus der Öffentlichkeit gegen unsere Analysen und Folgerungen zu konfrontieren, die wir allenfalls nicht im Blick hatten. Natürlich gab es auch ab und zu harsche Kritik und grundsätzliche Infragestellung unserer Arbeit, wie dies ja schon bei der Gründungsdebatte zum Ausdruck kam. Da mussten wir eben (mit Hilfe von Kommission und Rat) wieder unsere Existenzberechtigung beweisen.

Wandel im Selbstverständnis von Sozialethik – Die Ökumenische Konsultation

Ab Mitte der 90er Jahre bekam ich öfter den Eindruck, dass diese Basis sozialethischer Selbstverständlichkeit erodiere. Es hing mit einem gewissen Generationenwechsel in der Pfarrschaft, besonders in den Exekutiven der Mitgliedkirchen und damit in der Abgeordnetenversammlung zusammen. Aber die Religionslandschaft und politische Kultur wandelten sich. Letzteres war thematisch spürbar und in der Art, wie man mit grundsatzpolitischen Differenzen umgeht – also einer gewissen Polarisierung[47]. Populär-politische Rhetorik lässt oft nicht mehr zu, sich sachlich auf Argumente des Gegenübers einzulassen und sich mit ihnen auseinander zu setzen, statt nicht aus Vorurteil und diskussionstaktischem Kalkül bloss abzutun oder für Makulatur zu erklären. Damit bringt man die Lacher auf seiner Seite, erspart ihnen jedoch auch weiteres Nachdenken, aber verhindert auch die in einer direkten Demokratie auf Dauer unentbehrliche umsichtige Meinungsbildung. Wir erörterten diese Problematik in der Kommission für soziale Fragen und begannen, nach ersten Klärungen mit dem Vorstand, ein breit angelegtes Projekt auszuarbeiten. Dieses Mal ging es nicht um eine spezifisch sozialethische Studie (quasi Anwendung der Sozialethik auf eine konkrete Fragestellung), sondern um eine grundlegende Neuorientierung des Gesellschafts- und Politikverhältnisses für Glaube und Kirche in der Postmoderne. Eine solche Neuorientierung konnte weder von Autoritäten her kommen noch aus einer Studierstube, sondern nur aus einem Prozess, in den möglichst breite Kreise der Kirchen – namentlich der Kirchgemeinden – und der weiteren Öffentlichkeit einbezogen werden. Bald wurde bekannt, dass ähnliche Überlegungen in unserer Partnerinstitution, der Kommission Justitia et Pax der Schweizerischen Bischofskonferenz, im Gespräch seien. Im Frühjahr 1995 lud Justitia et Pax die interessierten katholischen Kreise zu einem Hearing zum Hirtenbrief zur sozialen und wirtschaftlichen Lage ein. Die Kommission für soziale Fragen des SEK war ebenfalls eingeladen und delegierte mich an das Hearing, an dem ich als einziger nicht-katholischer Teilnehmer über die Überlegungen unsererseits orientieren konnte. Ich trug unseren intensiven Wunsch vor, dass ein so breitgefächertes Vorhaben doch in der heutigen Zeit und der kirchlichen Situation in einer als postmodern bezeichneten Gesellschaft möglichst ökumenisch geplant und durchgeführt werden müsste (unter Einschluss der Christkatholischen Kirche, denn die drei Landeskirchen hatten schon mehrmals bei öffentlichen Stellungnahmen erfolgreich zusammen gearbeitet; diese Zusammenarbeit kam indes nicht zustande). Die Idee der ökumenischen Kooperation stiess auf Zustimmung und war für das Gelingen des ganzen Prozesses von grosser Bedeutung.

Nach einigem konstruktivem Hin- und Her zwischen der Bischofskonferenz und dem SEK-Vorstand wurde schliesslich ein Konzept für eine Ökumenische Konsultation zur sozialen und wirtschaftlichen Zukunft vereinbart. Es wurde eine Kooperationsstruktur[48] geschaffen mit ise-ies und Justitia et Pax als Trägerschaft. Auf Antrag des Vorstandes genehmigte die Abgeordnetenversammlung das Projekt, womit wir die höchstmögliche Rückendeckung erhielten. Das Projekt konnte im Januar 1998 starten. Gleichzeitig hatten wir uns im ise-ies mit dem Vorwurf der Geschäftsprüfungskommission des SEK zu befassen, wir bildeten ein Haus im Haus. Ein Vorwurf, mit dem wir vor der Publikation des GPK-Berichtes nicht konfrontiert wurden. Nicht allen gefiel es, dass wir eben satzungsgemäss nicht nur ein Teil der Geschäftsstelle, sondern ein Institut waren. Das Präsidium der Konsultation übernahmen Bischof Amédée Grab, Präsident der SBK, und Heinrich Rusterholz, ab 1999 Thomas Wipf als Präsidenten des SEK-Vorstandes bzw. -Rates.

Der Verlauf der Ökumenischen Konsultation ist am besten an den geplanten Phasen ablesbar:

  1. Bildung eines interkonfessionellen und interdisziplinären Studienkreises zur Vorbereitung und Durchführung der Konsultation; Durchführung eines Hearings mit allen interessierten Stellen der katholischen und evangelischen Kirchen (1997).
  2. Delphi-Umfrage unter Fachleuten verschiedenster Disziplinen zur Bestimmung der Hauptfragestellungen der Konsultation, und Auswertung (Ende 1997-Anfang 1998).
  3. Ausarbeitung der Diskussionsgrundlage: Welche Zukunft wollen wir?[49] im Frühjahr 1998 als Einladung zum Dialog; Publikation und grösstmögliche Verbreitung in den beiden Kirchen und der Öffentlichkeit inkl. Parteien, Verbände, National- und Ständeräte usw.
  4. Der eigentliche Konsultationsprozess, an dem sich zahlreiche kirchliche Gruppierungen, Kirchgemeinden und Pfarreien sowie Kirchenorganisation beteiligten. Geringer als erwartet (aufgrund der Erfahrungen eines ähnlichen Prozesses der deutschen Kirchen) waren Stellungnahmen und Eingaben von Parteien und Verbänden, manche äusserten sich lieber mit – überwiegend kontroversen – Bemerkungen zum Inhalt und zur Tendenz der Diskussionsgrundlage in den Medien. Oder sie wandten sich ‚vertraulich‘ direkt an einzelne Verantwortungsgträger in den Kirchenleitungen, um sie zu verunsichern oder ihnen nahe zu legen, diesen offenen, also unkontrollierbaren Prozess zu stoppen. Die beiden Präsidenten mussten im Hintergrund vermutlich viel Standhaftigkeit entwickeln und sich, in meinem Fall, ab und zu wieder bei mir versichern, dass ich sie nicht durch den Kakao ziehen oder wir sie gar öffentlich ins Messer laufen liessen. Sie hielten dem Druck von mir meist unbekannten Seiten aus, erhielten auch von Wissenschaftlern Unterstützung[50] und standen zuletzt wohl auch mit etwas Stolz zum ökumenischen Prozess.
  5. Sammlung der zahlreichen Antworten, Eingaben und Medienberichte und Auswertung[51], erstellt von einer Schar meist freiwilliger Mitarbeiter aus verschiedenen kirchlichen Institutionen – eine eigentliche logistische Meisterleistung; Erörterung der Ergebnisse an einer Konferenz aller Beteiligten im Juni 1999. Die beiden Kirchenleitungen setzten sich an einer gemeinsamen Tagung 9.-10. Mai 2000 intensiv mit dem Auswertungsergebnissen einander und bestimmten die wichtigsten Themen und Bausteine für den Schlussbericht, der eine gewichtige Botschaft an Kirchen und Gesellschaft werden sollte.
  6. Erarbeitung und Veröffentlichung des Schlussberichtes[52] der Konsultation in Form eines möglichst wegleitenden, jedoch nicht von kirchlicher Autorität, sondern durch schlüssige ethische Argumentation und durch die weite Beteiligung am Konsultationsprozess legitimiert: Wort der Kirchen – Miteinander in die Zukunft[53].Beide Kirchenleitungen approbierten den Text, den sie verstanden als «Antwort auf die viel­fäl­tigen Stellungnahmen». An einer Medienkonferenz Anfang Juli 2001 haben sie ihn «übergeben den zahlreichen Einzelpersonen und Gruppen, die sich am Konsultationsprozess beteiligt haben», gerichtet «ebenso an die Öffentlichkeit, an die Menschen in Politik und Wirtschaft und an alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz, welche die Zukunft dieses Landes im weltweiten Umfeld mitgestalten möchten» (Vorwort der beiden Kirchenleitungen).

Das Wort der Kirchen ging in die gemeinsame Bettagsbotschaft 2001 der beiden Kirchenleitungen ein. Am 1. September 2001 konnte die Ökumenische Konsultation nach vierjähriger Arbeit mit einem würdigen Schlussakt abgeschlossen werden. In der Heiliggseist-Kirche in Bern übergaben die beiden Kirchenleitungen das «Wortes der Kirchen: Miteinander in die Zukunft» an den Bundespräsidenten als symbolische Vertretung der Politik sowie an Vertreter der Sozialpartner und der weiteren Zivilgesellschaft. Ein offenes und fröhliches Fest – ausgerechnet und bewusst gewählt – in der ‚berüchtigten‘ Reitschule Bern, für alle, die irgendwie mitgewirkt und mitgehofft hatten. Ein Fest, in der Hoffnung, damit zu einem neuen Aufbruch zur (sozialethischen) Auseinandersetzung von Christen und Kirchen beigetragen und für die kirchlich-sozialethische Arbeit der kommenden Jahre eine Referenzbasis geschaffen zu haben. Für mich war es das grösste und vielfältigste Projekt.

Herausfordernde Jahre bis zum Ende des ise-ies und Weiterarbeit

Zurück um Alltagsgeschäft am ise-ies. 1998 trat Heini Rusterholz als Präsident des Vorstandes (später: Rat) des SEK zurück. Wir hatten in nicht leichten Jahren eine gute Zeit und oft gleichgerichtete Anliegen. Es zeigte sich, dass die langjährige Freundschaft eben auch eine gute Basis schafft, um bei dennoch gelegentlichen Interessen- und -funktionsbedingten Meinungsdifferenzen im ruhigen Gespräch einvernehmlich eine gute Lösung zu finden. Beim Empfang zu seiner Verabschiedung ergriff u.a. auch der damalige Bischof Kurt Koch das Wort, lobte die ökumenische Zusammenarbeit und fügte schmunzelnd einen Satz an, der mir hängen blieb: er beobachte, wie in seiner Kirche in der Schweiz reformiertes Kirchenverständnis sich unter Pfarrern und Laien verbreite – und dass dafür in der evangelisch-reformierten Kirche vermehrt katholisches Kirchenverständnis zum Zuge komme. Er spielte dabei auf die – gefühlt Xte – Reorganisation der SEK-Geschäftsstelle an, die im Hinblick auf das Präsidium von Thomas Wipf im Gange war. Sie brachte eine deutliche Zentralisierung und Hierarchisierung; die Organisation sollte mit einer Stimme sprechen und nicht mehr je nach Brisanz einer Thematik in einer gewissen Spannung zwischen der sozialethischen Urteilsfindung und kirchenpolitischer Rücksichtnahmen leben.[54] Das ise-ies war fortan nicht mehr direkt dem Vorstand/Rat des SEK, sondern – und auch das nur indirekt – dem Geschäftsführer unterstellt, der selber in keiner sozialethisch durchtränkten Tradition stand. Das ise-ies wurde zunächst zusammen mit den Stellen für Migration und Menschenrechte in eine grössere Abteilung Kirche und Gesellschaft eingegliedert. Bei einer folgenden weiteren Reorganisation wurde Kirche und Gesellschaft und durch die erweiterte Studienabteilung, die nebst den erwähnten Einheiten auch den Bereich Theologie umfasste. Sollte etwa Hans ten Doornkaat mit seiner kritische Position bei der Gründung des ise-ies doch Recht bekommen, dass unabhängiger sozialethischer Arbeit drohe, kirchenpolitisch eingebunden zu werden? Meine letzten fünf Jahre beim Kirchenbund waren darum nicht die einfachsten. Zwar wurde mir sukzessive nebst der Institutsleitung zuerst zusätzlich die Leitung der Abteilung Kirche und Gesellschaft, später der ganzen Studienabteilung übertragen. Daraus ergaben sich aber Verdrängungseffekte durch administrative und bürokratische Aufgaben zulasten der sozialethischen Studienarbeit. Der von aussen betrachtet Aufstieg in die neuen Leitungsfunktionen wurden nicht durch verstärktes Vertrauen begleitet, vielmehr oft von Misstrauen, weil man wusste, dass ‚mein Herz‘ zwar ganz bei der Kirchenarbeit, aber doch in erster Linie bei der kirchlichen Sozialethik lag. Dies bekam ich wiederholt zu spüren und es wurde mir implizit und explizit signalisiert, trotz meines Bemühens zu redlicher Loyalität. Denn die Haltung kritischer Distanz und der relativen Anerkennung des Gegebenen mit dem Anspruch, das Beste daraus zu machen, hatte ich mir schon früh im Leben angeeignet. Und diese Haltung erfuhr durch die Sozialethik von Arthur Rich quasi systemische Bestätigung.[55]

Im Jahr 2002 wurde Roland J. Campiche pensioniert und daraufhin, entgegen der Empfehlung der Institutskommission und dem Hinweis auf die enorme Bedeutung und eines Netzwerks und Standorts für den ganzen SEK in der Romandie, das Bureau romand de l’ies in Lausanne geschlossen.[56] 2004 schliesslich hat die Abgeordnetenversammlung des SEK im Rahmen einer weiteren Reorganisation das Statut des ise-ies auf den Zeitpunkt meiner Pensionierung hin förmlich und die Kommission für soziale Fragen (Institutskommission), einem wichtigen Resonanzkörper für sozialethische Arbeit, aufgehoben. Damit werde aber nicht die sozialethische Arbeit im Kirchenbund – heute in der EKS  – abgeschafft, sondern «wie Zucker im Kaffee aufgelöst». Es bleibt somit Sache des Rates und meiner mit Ethik beauftragten Nachfolgepersonen in der EKS, zu sorgen, dass dieser Kaffee nicht nur süss wird, sondern in Erinnerung an Jesu‘ Gleichnisse in Mt 5, 13 und 33ff. tüchtig Salz enthält oder vielleicht immer wieder neu zu ein wenig Sauerteig wird.

[1]      Mobbs Arnold (1970),  Die Evangelischen Kirchen der Schweiz im Zeitalter der Oekumene und der zwischenmenschlichen Hilfe: 50 Jahre Kirchenbund 1920-1970, Bern: SEK, 13.

[2]      Becker Bernhard (1858, Nachdruck/Edition ise-sek 1990) und (1871).

[3]      World Alliance for Promoting International Friendship through the Churches, angestossen durch den englischen  Quäker J. Allen Baker und den  Anglikaner Willoughby H. Dickinson, s., Art. World Alliance Promoting International Friendship through the Churches in: DEM – Dictionary of the Ecumenical Movement (WCC Geneva 1991).
Im Weltbund waren mehrere Schweizer Kirchenpersönlichkeiten aktiv; ihnen wurde deshalb die Durchführung der formellen Gründungsversammlung anvertraut, die just im Zeitpunkt des Ausbruchs des Weltkriegs in Konstanz tagte. Es ist tragisch nachzulesen, wie die Männer, die sich theologisch seit Jahren mit Friedensfragen befassten und die eigenen nationenübergreifenden Kontakte als wichtige Grundlage dafür betrachteten, dass Christ in erster Linie dem göttlichen Reich verpflichtet sind und erst in zweiter Linie als Bürger einer Nation – wie jeder dieser Männer bei Ausrufung des Krieges bzw. der Mobilisierung wieder ihrer eingefleischten „1. Pflicht“ gehorchten und die Gründungsversammlung fast fluchtartig verliessen, um noch vor Zusammenbruch des zivilen Verkehrssystems nach Hause zu reisen, um sich in den Dienst an Vaterland zu stellen.

[4]      Semmler Kurt (1974), Kirche und Völkerbund: Das Verhalten der evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz gegenüber dem Völkerbund, Zürich: Juris. – Der Völkerbundsvertrag vom 28. April 1919 gilt als integrierender  Bestandteil der Versailler Friedensverträge (vom 28. Juni 1919); mit der Ratifizierung der Verträge wurde der Völkerbund – Leage of Nations – am 10. Januar 1920 – also im selben Jahr wie der Kirchenbund – offiziell gegründet.

[5]      Ragaz Leonhard, Sozialismus und Völkerbund: Ein Wort zur Besinnung, Zürich:1919. Ders., Sollen wir in den Völkerbund? Neue Wege 13:569-600, 1919.

[6]      Koller Christian (2020), Vor 100 Jahren: Die Schweiz tritt dem Völkerbund bei, Archiv Dokumentation, Schweiz. Sozialarchiv Zürich 2020 (https://www.sozialarchiv.ch/2020/01/15/vor-100-jahren-die-schweiz-tritt-dem-voelkerbund-bei/, download 24.8.2020)

[7]      Die „Genfer Konferenz von 1920 kann deshalb mit Recht als die konstituierende Konferenz der Bewegung für Praktisches Christentum bezeichnet werden“ Karlström, Nils in Rouse/Neill (1958), 175. In unmittelbarem Anschluss an die ebenfalls in Genf (12.-20.8.2020) fand die vorbereitende Konferenz von Glaube und Kirchenverfassung (Faith and Order) für die Gründung der Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in  Lausanne 6.-20.8.2027 statt.

[8]      Weltkirchenkonferenz für Praktisches Christentum (Köchlin, Alphons (1925) / Conférencier Universelle du Christianisme Pratique / Universal Christian Conference on Life and Work in Stockholm 19.-30. August 1925.

[9]      Pfr. Adolf Keller (1872-1963) war ab Gründung bis 1941 Sekretär (also Geschäftsführer) des SEK; 1922-1945 Generalsekretär des Europäischen Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen, nach der Stockholm-Konferenz von 1925 (zweiter) Generalsekretär des Oekumenischen Bewegung für praktisches Christentum (Life and Work) und generell „treibende Kraft der internationalen oekumenischen Bewegung“ und er hatte eine „Schlüsselstelle … zwischen den reformierten Kirchen der Schweiz und die protestantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen des Auslandes“ (Jehle-Wildberger Marianne (2007), Adolf Keller, in Hist.Lex.Schweiz und Jehle-Wildberger Marianne(2008), Adolf Keller (1872-1963): Pionier der ökumenischen Bewegung, Zürich: TVZ.

[10]    SEK-Sekretariat (1922), Zur Lage des Europäischen Protestantismus. Übersicht über Notstände und Hilfswerke im Gebiet der europäischen evangelischen Kirchen nach Originalberichten bearbeitet und herausgegeben vom Sekretariat des SEK, Zürich:1922. – Keller Adolf (1924), Von protestantischer Not und Hilfe. Erster Bericht der Europäischen Zentralstelle für kirchliche Hilfsaktionen vom September 1922 bis Mai 1924.

[11]    Koechlin Alphons(1925). Die Kirchenkonferenz von Stockholm 1025  Bericht verfasst im Auftrage des SEK, Basel: F.Reinhardt.

[12]    Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund (o.J. – 1925). Die Kirche und die internationalen Beziehungen. Thesen zum 4. Thema des Programms für die Allgemeine Konferenz für praktisches Christentum in Stockholm, Bern: SEK.

[13]    Aus meiner Einleitung zu: Walter Peter (1984). Soziale Studienkommission des Schweizerischen Reformierten Pfarrvereins 1925 – 1984. Rückblick, der 104. Tagung des Schweiz. Ref. Pfarrvereins  in Bex (VD)  9.-11. September 1994 vorgelegt. Für die Drucklegung erweitert und ergänzt, Bern: Institut für Sozialethik SEK.

[14]    Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund, 1931) Die Kirche und die Arbeitslosigkeit. A. Botschaft des Kirchenbundes. B. Bericht der sozialen Kommission des SEK, Zürich: Wanderer-Verlag.

[15]    Später: Kommission für soziale Fragen und ähnliche Bezeichnungen; sie existierte mit Unterbrüchen bis 2004; sie würde eine eingehende eigene Erzählung/Nachzeichnung ihrer Geschichte verdienen.

[16]    A.a.O. 25ff. –der Begriff „wirtschaftsethisch“ taucht hier m.W. erstmals in einer schweizerischen kirchlichen Schrift auf. – Die „Soziale Kommission“ des SEK würde die ‚Nacherzählung‘ einer eigenen Geschichte verdienen. Sie erlebte ein wandelndes Schicksal mit wechselndem Namen, wie ich in einem kleinen Beitrag zu ihrer letzten Sitzung 2004 zusammen zu stellen versucht habe: Peter, Hans-Balz (2004). Kommission für Sozialethik: Geschichtlicher Rückblick für die letzte Sitzung vom 7. Juni 2004 (unveröff. Manuskript)

[17]    Nach Lektüre seines „Mein Weg“ (Bd. 1, 1952), bes. 230ff.

[18]    Wie Hans Ulrich Jäger (1971, 5) treffend feststellt, „versuchte Ragaz, in dialektischer Weise ein die ganze Wirklichkeit umfassendes theologisches System aufzubauen, das er allerdings nur fragmentarisch ausführte und nie explizit entfaltete.“ So fällt es schwer, ein (ethisches) Hauptwerk zu bezeichnen. Hinweisen möchte ich auf Ragaz, Leonhard (1929), Von Christus zu Marx, von Marx zu Christus (Neuausgabe 1972 Hamburg: Furche), sowie die zwei Aufsatzbände Weltreich, Religion und Gottesherrschaft (1922); das „Eigentliche“ seiner Ethik (oder ihre Grundlegung als ihre „analytische“ Aufgabe, die dann zu Ragaz‘ vielfältigen konkret problembezogenen „gestalterischen“ ethisch motivierten Interventionen führe, findet sich vorwiegend in seinen nicht veröffentlichten Ethik-Vorlesungen, auf die sich Jäger ausführlich bezieht (vgl. bes. 41ff.)

[19]    Blaschke, Olaf (2019). Die Kirchen und der Nationalsozialismus, Bonn: bdb.

[20]    von Nell-Breuning, Oswald (1956), Katholische und evangelische Soziallehre – ein Vergleich. Vortrag, gehalten am 9.1.1956 in Bochum auf einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie Bochum. Una Sancta 11:184-195. – Rich, Arthur (1957), Christliche Existenz in der industriellen Welt. Der Sozialismus als Frage an den Christlichen Glauben – Der Christliche Glaube als Frage an den Sozialismus, Zürich: Zwingli. – Wendland, Heinz-Dietrich (1959), Botschaft an die soziale Welt. Beiträge zur christlichen Sozialethik der Gegenwart, Hamburg: Furche. Rich, Arthur (1960), Die institutionelle Ordnung der Gesellschaft als theologisches Problem. ZEE 3:233-244.- Papst Johannes XXIII. (1961), Sozialenzyklika Mater et Magistra, Über die jüngsten Entwicklungen des gesellschaftlichen Lebens und seine Gestaltung im Licht der christlichen Lehre, mit ausführlichem Kommentar und einer Einführung in die Soziallehre der Päpste von Leo XIII. bis zu Johannes XXIII., hg. von Eberhard Welty 2.A. 1962), Freiburg/Br.: Herder. – Wendland, Heinz-Dietrich (1963). Einführung in die Sozialethik, Berlin: de Guyter, (2.A. 1970). – Biéler, André (1964), Calvin, prophète de l’ère industrielle, Genève: Labor et Fides.

[21] Publiziert im folgenden Jahr: Peter, Hans-Balz (1965),  Die evangelische Soziallehre der Gegenwart. Rote Revue 44:171-178 und 191-211.

[22] Z.B. Schmid, Bruno (1963), Die Sozialenzyklika Mater et Magistra (Seminararbeit Sozialökonomie, Prof. R. Büchner, WS 1963-64, Typoskript).

[23]    Rich, Arthur (1957), Christliche Existenz in der industriellen Welt. Der Sozialismus als Frage an den Christlichen Glauben – Der Christliche Glaube als Frage an den Sozialismus, Zürich: Zwingli.

[24]    Rich, Arthur (1993a), Mein Weg in der religiös-sozialen Bewegung. ZeitSchrift/Reformatio 42 (Sonderheft Hommage à Arthur Rich [1910-1992]):19-32, hier 28f. Etwas ausführlicher: Rich, Arthur (1993b). Mein Weg in der Sozialethik, in: Gesellschaft – Kirche – Ethik, hg. v. Hans-Balz Peter, Bern: Institut für Sozialethik des SEK (Studien und Berichte, 45) 65-79. – Die Neubearbeitung erschien als Rich, Arthur (1964), Christliche Existenz in der industriellen Welt als zweite, umgearbeitete und erweiterte Auflage nun mit dem Untertitel Eine Einführung in die sozialethischen Grundfragen der industriellen Arbeitswelt (gleichzeitig 1. Bd. der Veröffentlichungen des Instituts für Sozialethik an der Universität Zürich) Zürich: Zwingli.

[25]    Rich, Arthur (1993b). Mein Weg in der Sozialethik, 71. Diese Vermittlung war für das ganze spätere Wirken Rich’s wichtig und wegleitend; so meint  Sozialethik in „Theorie und Praxis verantwortlicher Existenz des Menschen, soweit … dieses Verhältnis durch gesellschaftliche Institutionen vermittelt wird“ (71). Es gilt „Sachgemässes“  und „Menschengerechtes“ zu unterscheiden (76ff.) und durch die Vermittlung (170) beides zur Geltung bringen (ja es geht um die „Integration der beiden Momente“ (223), , da „nicht wirklich menschengerecht sein [… kann], was nicht sachgerecht ist, und nicht wirklich sachgemäss, was dem Menschengerechten widerstreitet“ (84, kursiv im Original), s. Rich, Arthur (1984), Wirtschaftsethik, Grundlagen in theologischer Perspektive, Gütersloh: Mohn ach  (in 4. Auflage 1990 als Bd. I bezeichnet)

[26]    Es erschienen vier Vorbereitungsbände, die März-Juni 1966 in New York und London publiziert worden waren: I: Christian Social Ethics in a Changing World, ed. Bennett John C. (1966); II: Responsible Government in a Revolutionary Age, ed. Matthews Z.K. (1966); III: Economic Growth in a World Perspective, ed. Munby, Denys (1966); IV: Man in Community, ed. de Vries, Egbert (1966). Auswahlband in Deutsch: OeRK (Ed.), (1966), Die Kirche als Faktor einer kommenden Weltgemeinschaft. Vorbereitungsband für die Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft, Stuttgart: Kreuz.

[27]    Lochmann, Jan Milic/Rich Arthur (1966), Seminar zur Vorbereitung der Konferenz „Kirche und Gesellschaft“, Zürich 13.-15. April 1966, Zürich: Institut für Sozialethik der Uni Zürich; darin: Rich, Arthur (1966): Theologische Grundlagen der Sozialethik, 4-23.

[28]    Die die Konferenz Kirche und Gesellschaft stand in der Tradition des Oekumenischen Rates für Praktisches Christentum, der bei der Gründung 1948 in den Oekumenischen Rat der Kirchen integriert und unter dem Namen „Kirche und Gesellschaft“ (Church and Society) als eigenständige Abteilung am Sitz des OeRK in Genf weiter geführt wurde.

[29]    Oekumenischer Rat der Kirchen, Hanfried. Krüger, (Hg.) (1967). Appell an die Kirchen der Welt. Dokumente der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft, Stuttgart: Kreuz-Verlag; hier: Einleitung, 19f. Von den 338 Delegierten waren 180 Laien; aus der westlichen Welt stammten 146 Teilnehmer*innen, aus Osteuropa inkl. Sowjetunion 45, aus der „Dritten Welt“ 147, dazu 30 Jugenddelegierte.

[30]    I: Wirtschaftliche Entwicklung in weltweiter Sicht (109-150); II: Wesen und Auftrag des Staates in einer Zeit des Umbruchs (151-174); III:  Strukturen internationaler Zusammenarbeit – Friedliches Zusammenleben in einer pluralistischen Weltgemeinschaft (175-205); IV: Mensch und Gemeinschaft in sich wandelnden –Gesellschaftsformen (207-238). Die Seitenangaben beziehen sich auf OeRK (1976), Appell an die Kirchen der Welt.

[31]    A: Möglichkeiten in der gegenwärtige technischen und wissenschaftlichen Revolution (239-247); B: Theologische Probleme der Sozialethik (248-259); C: Das Wirken der Kirche in der Gesellschaft (260-263).

[32]    Anhang: Botschaft der Konferenz, in OeRK (1976), Appell an die Kirchen der Welt (267-269), hier 269.

[33]    SEK (1966), „Kirche und Gesellschaft“. Weltkonferenz des Oekumenischen Rates der Kirchen, Genf Juli 1966. Bericht schweizerischer Konferenzteilnehmer (Beilage zu Traktandum 4, Schweiz. Evang. Kirchenbund, Ausserordentliche Abgeordnetenversammlung [24. Nov. 1966]. – Lavanchy, Alexandre, Arthur Rich, Henri Rieben, W. A. Visser’t Hooft (1967), Kirche und Gesellschaft: Berichte und Vorträge nach der Konferenz, Zürich: EVZ. – Hans Ruh als damaliger Theologischer Sekretär des SEK: SEK (1968), Die Konferenz Kirche und Gesellschaft. Arbeitsheft für die Gemeinden, Bern: Ausschuss für soziale Fragen des SEK

[34]    Ruh, Hans (2017). Ich habe mich eingemischt. Autobiografische Notizen, Zürich: Versus, 74f.

[35]    Peter, Hans-Balz (1971), Die Schweiz und die Entwicklungsländer. Bericht über die Interkonfessionelle Konferenz Schweiz-Dritte Welt 1. Session Profil 1 22-26, 2. Session: Profil 2 70-74. – Schmocker, Hans K./Traber Michael (1971), Schweiz – Dritte Welt. Berichte und Dokumente der Interkonfessionellen Konferenz in Bern. Zürich u. Freiburg: TVZ u. Imba.

[36]    Das einzig registrierte Produkt scheint eine ausführliche Stellungnahme (Vernehmlassung) zu einem neuen Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit zu sein: Interkonfessionelle Kommission für Entwicklungsfragen/IKEF (1973). Vernehmlassung zum Gesetzesentwurf über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe. G+E 2 (1):18-24.

[37]    Gesprächskreis Kirche-Wirtschaft (2004). Publikationen des Gesprächskreises Kirche-Wirtschaft (Kirchen und wirtschaftliche Unternehmen im internationalen Spannungsfeld, 1983; Ethische Leitgedanken zur Anwendung der Gentechnologie im industriellen Umfeld, 1989; Stellungnahme zur Petition „Entwicklung braucht Entschuldung“, 1990), Zürich: Gesprächskreis Kirche-Wirtschaft (ISE-SEK). – Peter, Hans-Balz et al. (1979), Dokumentation: Gespräche Kirche/Wirtschaft im Entwicklungskonflikt, Adliswil: Institut für Sozialethik SEK – Entwicklungsstudien. S. auch Ruh, Hans (2017). Ich habe mich eingemischt. Autobiografische Notizen, Zürich: Versus Verlag, 74f.

[38]    Ruh, Hans (2017). Ich habe mich eingemischt. Autobiografische Notizen, Zürich: Versus Verlag, 75-77.

[39]    Campiche Roland J. (1968). Urbanisation et vie religieuse. Une analyse sociologique de l’influence de l’urbanisation sur la vie et le comportement religieux des habitants du secteur lausannois de Sévelin, Lausanne: PAYOT,

[40]    Im Schlussbrief der Träger-Kirchen der Konferenz [SEK, Schweiz. Bischofskonferenz; Christkathol. Kirche der Schweiz] an den Bundesrat wurde explizit eine Reform des Welthandelssystems als erforderlich bezeichnet; vgl. Schmocker/Traber (1971, 127ff.).

[41]    Vermutlich weil ich Wirtschaftswissenschafter, 1966-70 als Assistent am Institut für Sozialethik der Uni Zürich und in der Kirche verankert war und weil ich gerade meine Dissertation abgeschlossen hatte (Peter, Hans-Balz (1972) Sozial­ökonomische Grundprobleme der Entwicklungsländer, Zürich: TVZ).

[42]    Ab 1971 – als Dreissigjähriger –  Lehrtätigkeit am Sozialökonomischen Seminar der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Uni Zürich für Entwicklungsökonomie (Kurs I-IV über 4 Semester) und Grundfragen der Wirtschaftswissenschaft (Umschreibung von Wirtschaftsphilosophie oder -ethik); später auch am Nachdiplomkurs für Entwicklungsländer (NEDEL) der ETH-Zürich. Weil ich neben der angewandt-theoretisch und praktische ausgerichteten Tätigkeit am ise-ies keine Zeit fand (finden wollte) für die Ausarbeitung einer Habilitationsschrift, zu der mich die Fakultät ermuntert hatte, endete der Lehrauftrag 1979/80 und wurde für einen jüngeren Nachwuchskollegen eingesetzt.

[43]    Die man auf der  Homepage des Kirchenbundes finden und anklicken konnte, und das sollte meines Wissens auch auf der Homepage nach der Umwandlung in Evangelisch Kirche Schweiz EKS der Fall sein.

[44]    Nebst der zweisprachigen Hauptreihe Studien und Berichte / Etudes et Rapports etliche Verlagspublikationen; die Reihe Diskussionsbeiträge (bis 1985 Entwicklungspolitische Diskussionsbeiträge); die Serie kürzerer ise Texte; die Periodika G+E Gesellschaft und Entwicklung (vierteljährlich bis 1975 und ise info.

[45]    1983 wurde ich, nachdem Hans Ruh als o.Prof. an die Theologische Fakultät der Uni Zürich berufen und mit der Direktion des dortigen Instituts für Sozialethik betraut worden war, in einem offenen Ausschreibungsverfahren vom Vorstand des SEK als sein Nachfolger gewählt und hatte diese Leitungsfunktion bis zur Pensionierung Mitte 2004 inne.

[46]    S. die kleine Festschrift zu seinen Ehren nach 20jährigem Präsidium der Kommission für soziale Fragen des SEK: Zur sozialethischen Verpflichtung der Kirche (1987), Bern: ISE.

[47]    S. mein Referat Sozialethik zwischen «Street Parade»-Kultur und neuem Gemeinschaftsethos an der Tagung des Beirates zum 25jährigen Jubiläums des ise-ies 1996, sowie die weiteren Beiträge namentlich zum Wandel der religiösen Situation in Peter, Hans-Balz/Campiche, Roland J./Germann, Hans Ulrich (Hg.) (1997), Gesellschaftlicher Zusammenhalt – in Frage gestellt. Beiträge zur sozialethischen Orientierung. Studien und Berichte 54, Bern: ISE.

[48]    Die Projektleitung wurde Jean-Claude Huot von Justitia et Pax (J+P) übertragen, Stellvertreter waren Christian Kissling (J+P) und Hans Ulrich Germann (ise-ies), unterstützt von den jeweiligen Sekretariaten; ich denke immer noch in grosser Dankbarkeit an diese intensive und meist fröhliche Zusammenarbeit, und danke im Besonderen meinem Kollegen Hans Ulrich German, der mit in einer wichtigen Projektphase, in der ich wegen Operation und Rehabilitation ausfiel, mit grossem Engagement vertreten hat und dann für die Schlussphase den Stab wieder an mich zurückgeben musste.

[49]    Oekumenische Konsultation zur sozialen und wirtschaftlichen Zukunft der Schweiz (1998), Diskussionsgrundlage: Welche Zukunft wollen wir? Hrsg. Schweizer Bischofskonferenz und Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund.

[50]    Z.B. Kirchgässner, Gebhard (1999). Mein Standpunkt: über wirtschaftspolitische Vorschläge der Kirchen. Cash (24.12.99).

[51]    Ökumenische Konsultation zur sozialen und wirtschaftlichen Zukunft der Schweiz (2000), Welche Zukunft wollen wir? Auswertungsbericht .Hrsg. Schweizer Bischofskonferenz und Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund. Aus oben erwähnten Gründen war ich an dieser Auswertung nur teilweise beteiligt.

[52]    An diesem Wort der Kirchen haben zahlreiche Mitarbeitende der beiden Kirchen mit grossem Engagement (und keinem Lohn – sie wurden stillschweigend von ihren Arbeitsstellen für diese Dienstleistung zur Verfügung gestellt). – Ein erster Entwurf aus meiner Feder für das grundlegende Einleitungskapitel unter dem Titel „Hoffnung und Freiheit“ (März 2001, in der Absicht, dass das Dokument wie bei päpstlichen Rundschreiben unter den Einleitungsworten ‚in die Geschichte‘ eingehen würde – wie z.B. Pacem in Terris…) fand nicht die Gnade namentlich der katholischen Kirchenleitung:  Der „Ton“ meines Entwurfs tönte für sie eben zu sehr nach einem Hirtenbrief, was das gemeinsame ökumenische Wort der Kirche gerade nicht sein konnte; das hatte ich unterschätzt; aber der Titel wurde für das 1. Kapitel beibehalten.

[53]    Oekumenische Konsultation zur sozialen und wirtschaftlichen Zukunft der Schweiz (2001), Wort der Kirchen – Miteinander in die Zukunft Auswertungsbericht .Hrsg. Schweizer Bischofskonferenz und Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund. Das Wort besteht aus Vorwort und Übersicht, dann folgen 8 Kapitel:
1     Hoffnung und Freiheit;
2     Biblische Perspektive: Der Mensch als Person in der Gesellschaft;

3     Familie: Leben in Verbundenheit (mit den im ökumenischen Dialog ‚heikelsten‘ Stellen über Partnerschaft ohne Option der Elternschaft, Ziff. 51 und bes. Ziff. 53, wo – einmalig im Wort der Kirchen – eine unterschiedliche „Würdigung“ der verschiedenen Ehe- und Familienformen durch die beiden Kirchen explizit ausgedrückt, aber wieder zusammengeführt wird in der gemeinsamen „Sorge um eine möglichst gute, stabile, die Menschen in ihrer gegenseitigen Achtung stärkende Beziehungsqualität…“ (34f.)

4     Migration: Vertrauen aufbauen jenseits der Unterschiede
5     Arbeit: Die Zukunft der Arbeitsgesellschaft
6     Ressourcen: Ein neuer Umgang mit natürlichen Ressourcen und mit Geld, Gewinn und Kapital
7     Politik: Im Diente des Gemeinwohls
8     Schweiz – Welt

Zum Schluss: „Dann sah ich … ein neues Land“.

[54]    So richtig nach aussen sichtbar kam dies m.W. nur einmal vor: bei der Stellungnahme zur „Armeeabschaffungs­initiative“: Einerseits das gemeinsame Memorandum von Justitia et Pax und Kommission für soziale Fragen SEK (1989), Sozialethische Überlegungen zur Diskussion über die Abschaffung der Schweizer Armee, ISE Texte 6/89, wonach ein Ja zur Initiative als verantwortbare Option gelten konnte; anderseits die Stellungnahme des Vorstandes SEK, in der er sich klar gegen die Initiative aussprach (in meiner Dokumentation nicht auffindbar, aber im Jahresbericht 1989 des SEK nachzulesen).

[55]    Bei Arthur Rich (1984/1990), Wirtschaftsethik I, haben „kritischen Distanz“ (179ff.)und ihr dialektisches Gegenstück, die „relative Rezeption“ (181ff.) den Stellenwert von Kriterien, in seinem System auf der „zweiten Ebene“ sozialethischer Reflexion (169ff.)

[56]    Bzw. die ganze systematische Bibliothek/Dokumentation zu éthique sociale und zur Relgionssoziologie wurde nach Bern an den Sitz des SEK transferiert; seither werden die religionssoziologischen Studien nicht weiter geführt. bzw. mit dem ise-ies in Bern zusammengelegt.