Bibelstudium – Verklärung

11. Vollversammlung

Dieser achte Text ist Teil einer Reihe von Bibelstudien zur Vorbereitung der 11. ÖRK-Vollversammlung und wurde von Tamsyn Kereopa, einer Doktorandin an der Universität von Otago, Neuseeland, verfasst.

Einleitung

Hokia ki ō maunga kia purea koe i ngā hau o Tāwhirimātea – kehre zu deinen angestammten Bergen zurück, um von den Winden des Tāwhirimātea gereinigt zu werden. (Whakataukī / Sprichwort der Maori)

Während das Fest der Verklärung im Jahreskreis alljährlich am 6. August gefeiert wird, wird in meiner kirchlichen Tradition die Verklärungsgeschichte aus dem Evangelium auch jedes Jahr am Wochenende vor Aschermittwoch, dem Sonntag vor Beginn der Fastenzeit, liturgisch verlesen. Gerade wenn wir den Beginn der schwierigen Reise Jesu – und unserer Reise – zurück nach Jerusalem zum Kreuz erwarten, finden wir uns hier wieder und schließen uns Petrus, Jakobus und Johannes an, die mit Jesus den Berg hinaufsteigen. Auch im Evangelium selbst kommt diese Geschichte kurz nach dem christologischen Bekenntnis von Petrus: „Du bist der Christus Gottes“ (Lukas 9,20) und kurz vor der Rückkehr Jesu nach Jerusalem.

In diesem biblischen und liturgischen Kontext werden wir in meiner Tradition der Anglikanischen Kirche in Aotearoa-Neuseeland und Polynesien in Predigten über die Verklärung oft aufgefordert, die Vergänglichkeit der Schönheit des Berggipfels zu würdigen. Es ist ein Aufruf, im Licht und in der Herrlichkeit zu schwelgen, aber nur für einen Moment. Doch sollen wir dabei immer daran denken, wie wichtig es ist, den Berg wieder hinunterzusteigen, zurück in die Zerrissenheit der Welt, zum Weg nach Jerusalem und zum Weg des Leidens und des Kreuzes. Wir stellen fest, dass Petrus oft für seine Reaktion kritisiert wird: Er will nicht hinuntersteigen, er will auf dem Berg bleiben! Als er sich von Angesicht zu Angesicht mit der Herrlichkeit Gottes und in der Gesellschaft derer, die vor ihm gegangen sind, wiederfindet, möchte er bleiben.

Uns wird gelehrt, dass Petrus mit diesem Wunsch nicht versteht, worum es geht. Er versteht es falsch. Mit seiner Bitte, den wunderbaren Augenblick zu verlängern, zeigt er, dass er die Mission von Jesus am Kreuz nicht versteht. Ebenso tadelt die Liturgie uns bereits vorauseilend mit Petrus, dass wir diese glorreiche Erfahrung von Glanz und Schönheit verlängern wollen. Sie fordert uns auf, uns auf die letzte Aufgabe zu konzentrieren, nämlich Jesus den Berg hinunter zu folgen und den Weg des Kreuzes zu gehen und ein Leben in der Nachfolge zu führen. Die Betonung auf das Moralische ist deutlich und folgt direkt aus dem, was Jesus gerade in Lukas 9,23 gesagt hat: „Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach.“

Wenn wir eine solche Sichtweise von Petrus akzeptieren wollen, müssen wir uns jedoch zunächst mit Jesus eigener Antwort auf das „Missverständnis“ der Jünger auseinandersetzen: nämlich mit seinem völligen Schweigen. Keine Zensur, kein Tadel, kein Vorwurf. Daraus folgt, dass wir im Gegensatz zu dem, was uns gelehrt wurde, überlegen müssen: Hat Petrus recht damit, dass er auf dem Berg bleiben will? Oder ist zumindest sein Wunsch, diese Erfahrung zu verlängern, völlig angemessen? Ist das auf dem Berg sein, auf dem Berg bleiben oder gar auf den Berg zurückkehren eine der Hauptbedeutungen unseres Textes?

Bibelstelle: Lukas 9,28-35

Und es begab sich etwa acht Tage nach diesen Reden, dass er mit sich nahm Petrus, Johannes und Jakobus und ging auf einen Berg, um zu beten. Und als er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts ein anderes, und sein Gewand wurde weiß und glänzte. Und siehe, zwei Männer redeten mit ihm; das waren Mose und Elia. Die erschienen in himmlischer Klarheit und redeten von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte. Petrus aber und die mit ihm waren, waren voller Schlaf. Als sie aber aufwachten, sahen sie seine Klarheit und die zwei Männer, die bei ihm standen. Und es begab sich, als sie von ihm schieden, sprach Petrus zu Jesus: Meister, hier ist für uns gut sein! Lasst uns drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Er wusste aber nicht, was er redete. Als er aber dies redete, kam eine Wolke und überschattete sie; und sie erschraken, als sie in die Wolke hineinkamen. Und es geschah eine Stimme aus der Wolke, die sprach: Dies ist mein auserwählter Sohn; den sollt ihr hören!

Reflexion

Auf dem Berg treffen wir die Herrlichkeit Gottes, dieses ewige Licht, das auf die Schöpfung schien, das mit Moses und Elias auf dem Berg Horeb war, das von der Schöpfung selbst bezeugt wird (Psalm 19,1) und jetzt in das Gesicht Christi scheint. Hierin finden wir das Herz des Evangeliums: Die göttliche Herrlichkeit offenbart sich am deutlichsten in der Demut des Dieners, der der Sohn ist, der, wie die Geschichte und die Vorgänger bezeugen, eins ist mit dem Gott auf dem Berg und dem Geist in der Wolke.

Und so befinden wir uns noch nicht auf dem Abstieg ins Tal oder am Kreuz, sondern vielmehr in Bethlehem – bei einem Baby und bei den Weisen, die vom Antlitz Christi ergriffen waren. Wir sind wieder am Anfang, wo das Wort Fleisch geworden war und unter uns wohnt, und stehen dem gegenüber, von dem Zacharias in Lukas 1,78-79 spricht: „Das aufgehende Licht aus der Höhe, auf dass es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“

Es ist in der Tat richtig, ehrfürchtig zu sein! Es ist gut innezuhalten und zu verweilen, überwältigt von der Anwesenheit des Großartigen, und das Licht im Antlitz Christi zu bestaunen.

Doch das Licht soll nicht nur auf diesem Berg existieren. Es gibt es im Wunderbaren und Erhabenen, aber auch in uns, wie wir es in Jesus Christus sehen – in den Zerbrochenen, den Verlorenen, den Gedemütigten und den Armen und in denen, die weiterhin von Herrschaftssystemen unterdrückt werden. Wir können es im Berg und im Land selbst finden und sehen und in denen, in deren Gesichtern sich Gott offenbart – genau wie in dem von Christus. Hier können wir Gott treffen, wenn wir die Augen haben, um ihn zu sehen.

Und wenn wir wirklich zuhören, können wir vielleicht hören, was Gott zu sagen hat: die Verkündung von guten Nachrichten an die Armen, Freiheit für die Gefangenen, Rückkehr des Augenlichts für die Blinden und die Befreiung der Unterdrückten. Vielleicht können wir Jesus hören, wie er die Kranken tröstet und die vom Tod Gepeinigten zum Leben zu erweckt. Vielleicht können wir den Segen für die Armen und Trauernden hören, für die Sanftmütigen und Barmherzigen und die reinen Herzens sind, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten und nach Frieden streben. Wir hören auch, dass über die Reichen und über ungerechte Machtausübung geurteilt wird. Schließlich können wir, wenn wir wirklich zuhören, in diesem wunderbaren Zusammentreffen vielleicht hören, wie er uns diesen bemerkenswerten Auftrag unseres Glaubens vermittelt: „dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe“ (Johannes 13,34).

Paradoxerweise ist Johannes der einzige Evangelist, der diese Geschichte der Verklärung Jesu nicht erzählt. Für Johannes ist die Herrlichkeit Gottes vielmehr im ganzen Leben und Wirken Jesu zu erkennen. Dieses „Erkennen“ der Herrlichkeit Gottes in der Menschlichkeit Jesu ist etwas paradox, aber genau darum geht es. Ein solches Licht widersetzt sich all unseren Versuchen, es zu definieren, und übersteigt alle Namen und Formen, die wir ihm geben wollen. Sein Wesen widersteht allen Versuchen, es zu zähmen und einzudämmen, und widersetzt sich ständig sowohl alten als auch neuen Ideen. Das Licht existiert auf einem Berg, der jenseits des rationalen Denkens liegt und als ständiges Korrektiv und einer Neuformulierung jeglichen Wissens, das wir vielleicht zu besitzen behaupten, fortbesteht.

Auf diesem Berggipfel geht es darum, dass wir nicht einfach nur „verstehen“ sollen, um unsere Reise zum Kreuz zu erleichtern, wie Petrus oft ermahnt wird. Im Gegenteil. Die Vorstellung, dass man nur durch begriffliches Denkenverstehen könnte, kann unmöglich aus einem Licht resultieren, das jenseits aller Begrifflichkeiten bleibt. Vielmehr werden wir selbst verklärt, wenn wir die Realität des Lichts wirklich sehen und daran teilhaben, die Herrlichkeit, in der die Einheit und Versöhnung der gesamten Schöpfung zum Ausdruck kommt.

Genauso lieben wir verklärt, versunken und in Einheit mit diesem Licht, weil wir Liebe sind. Wir sind friedlich, weil wir eins sind mit der Quelle des Friedens. Wir suchen nach Gerechtigkeit, nicht weil wir verstehen oder glauben, dass es als Jünger Jesu richtig ist, sondern weil wir mit einer Herrlichkeit vereint und verklärt sind, die sich, wie wir im Johannesevangelium sehen, im ganzen wahrhaft menschlichen Leben des menschgewordenen Sohnes zeigt. Der Sohn, der Gottes Herrlichkeit in der Auferweckung der Toten, der Heilung der Kranken, der Entlassung der Gefangenen und der Befreiung der Unterdrückten erstrahlen lässt. Wir sind eins mit der Natur, die diese Gerechtigkeit als eine Eigenschaft innehat.

Der Sinn der Jüngerschaft ist diese Erfahrung. Liebe ist ihrem Wesen nach nicht etwas, worüber man spricht, sondern etwas, was man erfahren muss. Sie ist keine abgehobene Überlegung, sondern ein wahres Sehen, eine Beteiligung und Umwandlung.

In diesem Verständnis kann das „Erkennen“ der Herrlichkeit Gottes nicht liturgisch auf eine Art göttliche Beruhigung für das Flattern eines ängstlichen Herzens reduziert werden oder lediglich als Ermutigung für diejenigen betrachtet werden, die wissen, dass sie in die Dunkelheit des Tals und zum Kreuz hinabsteigen müssen. Die Bedeutung liegt in dieser erhabenen Begegnung. Indem wir in diese tiefe, bedingungslose Liebe eintauchen und uns auf sie einlassen, öffnen wir uns immer auch für eine mögliche Ablehnung. Dass das eine dem anderen vorausgeht, ist sicherlich eine Folge unserer Erfahrung auf dem Berg.

Deshalb kann das christliche Leben vielleicht als ein ständiger Anstieg und eine Reise zurück zum Berg interpretiert werden. Eine ständige Reise auf der Suche nach dem Göttlichen und ein hartnäckiges Zurückgehen zum Licht und zum Wind, auf der wir ständig korrigiert, geändert und zurückgesetzt werden. Jüngerschaft ist das unablässige Streben danach, die Herrlichkeit Gottes zu bezeugen und Christus von Angesicht zu Angesicht zu sehen.

Doch wie oft widersetzen wir uns diesem Moment, diesem Licht oder zumindest dem, wirklich darin präsent zu sein? Wie oft sehen wir jeden Moment der Erhellung und Herrlichkeit als einfaches Mittel zum Zweck oder lassen unsere Sorge darum, was getan werden muss, verhindern, dass wir die wahre Erfahrung mit dem Göttlichen erleben? Wie sehr behindert uns die Sorge um den Abstieg bei der Begegnung mit der Tiefe und Erhabenheit des Lichts, und wie oft überstürzen wir Momente exquisiter Offenbarung, um mit dem wichtigeren Werk Gottes fortzufahren? Statt zum Kreuz zu eilen, werden wir hier eingeladen, zum Berg zurückzukehren. Innezuhalten und die Anwesenheit des Göttlichen zu bestaunen: diese leuchtende Flamme, die die erstaunliche und erschreckende Herrlichkeit Gottes ist.

Doch auch auf dem Berg finden wir uns unerwartet und unmissverständlich im Tal wieder, in der Krippe, mit einer jungen Mutter und ihrem Neugeborenen. Wir finden uns von Angesicht zu Angesicht mit den Leidenden, denen, die immer noch an den Kreuzen dieser Welt gekreuzigt werden, einschließlich des Berges und der Schöpfung selbst. Hier sehen wir uns der Herrlichkeit Gottes gegenüber; einer Herrlichkeit, die sich nicht in pompösen Sitzen der Macht findet, sondern in der selbstlosen Liebe, einer Liebe, die gleichzeitig erhaben und selbstentleerend ist, wunderbar und verwirrend; atemberaubend, brillant und prächtig, aber auch alarmierend, beunruhigend und erschreckend. Doch geht es darum, dass wir angesichts dieser Herrlichkeit selbst verklärt und in Einheit mit der Quelle von allem und mit der ganzen Schöpfung bewegt werden, um das Licht der sich selbst verschenkenden Liebe und Versöhnung in die Welt zu strahlen, in Erfüllung der Worte des Propheten Jesaja:

Mache dich auf, werde licht;
denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!
(Jesaja 60,1)

Fragen:

  1. Zur Offenbarung: Was für Berggipfel-Erfahrungen oder -Begegnungen hattest Du in Deinem Leben? Welche Begegnungen sind Dir vielleicht entgangen?
  2. Zum „Erkennen“ und „Zuhören“: Wo könnten wir Gott sehen? Was bedeutet es zuzuhören? Was hören wir?
  3. Zur Verklärung: Wie haben Dich diese Erfahrungen berührt, geändert, gewandelt und/oder verklärt?
  4. Zur Liebe und Jüngerschaft: Inwieweit ist die Herrlichkeit Gottes mit Liebe und einem Leben in Jüngerschaft verwandt?

Gebet

Nun sieh mich an, belagert von überwältigender Gefahr,
du, der du allein süß für alle bist.
Schneide mich los mit deinem siegreichen Schwert des Lebens, dem Kreuz, 
und befreie mich aus den Netzen, die mich gefangen haben,
Netze, die mich von allen Seiten als Gefangenen des Todes bedrängen.
Bitte beruhige meine zittrigen Füße auf dem gewundenen Weg und
heile das brennende Fieber in meinem gequälten Herzen.
Wende ab das dämonische Geflüster der Versuchung, gegen dich zu sündigen.
Vertreibe die Verzweiflung meiner dunklen Seele, die im Bösen wohnt.
Vertreibe den dichten Rauch der Sünde, der mich durchdrungen und vernebelt hat.
Zerstöre die abscheulichen, dunklen Leidenschaften meiner niederen Bedürfnisse.
Erneuere das Bild des Lichts, das durch die
Herrlichkeit deines mächtigen Namens verehrt wird, meine Seele.
Richte deine leuchtende Gnade auf mein Gesicht und auf
die Wahrnehmung meines Geistes, einem erdgebundenen Geschöpf.
Und reinige meine erbärmliche Sündhaftigkeit mit deiner Reinheit,
damit du dein Bild in mir wiederherstellen und offenbaren kannst.
Mit deinem göttlichen, lebendigen, unverdorbenen und
himmlischen Licht,

das deine drei Personen umhüllt.
Denn du allein bist gesegnet mit dem Vater und dem Heiligen Geist
für immer und ewig.
Amen.

(Gebetbuch Narek, Kapitel 40)

Kirchenlied: Saragahn – Payd genats

Fest der Kreuzeserhöhung
Saragahn – Payd genats
Hymnus – Holz des Lebens

Oh Holz des Lebens, anstatt der Frucht des Todes
brachtest du Christus hervor.
Stärke und schütze den Bund der Gläubigen

Durch dich wurde uns der Weg zum Bau des Lebens eröffnet,
der von den Seraphim bewacht wurde.
Stärke und schütze den Bund der Gläubigen

Durch dich wurde der Urvater [von der Sünde] erlöst,
dass er von der Frucht gegessen hatte.
Und alle Gläubigen verneigen sich vor dir.
Stärke und schütze den Bund der Gläubigen

Zur Autorin

Tamsyn Kereopa stammt von Te Arawa und Tuwharetoa ab. Sie promoviert an der Universität von Otago zum Thema „Eine Wahine-Māori-Befreiungstheologie“ und forscht zu Te Pihopatanga o Aotearoa. Tamsyn ist Mitglied der ÖRK-Kommission für Bildung und ökumenische Ausbildung und hat in der ÖRK-Referenzgruppe für indigene Völker mitgearbeitet. Tamsyn ist auch Mitglied des Ökumenischen Rats der Anglikanischen Kirche in Aotearoa-Neuseeland und Polynesien.