Die Evakuierungsbemühungen haben zweifellos Zehntausende von Menschenleben gerettet, doch die Flucht eines Menschen aus seinem Heimatland bringt ein erschütterndes Gefühl des Verlustes mit sich. Die Szenen, die sich in den letzten Tagen auf dem Flughafen von Kabul abgespielt haben, haben angesichts der Angst und Verzweiflung tausender Afghanen weltweit grosse Anteilnahme hervorgerufen. Doch wenn diese Bilder von unseren Bildschirmen verschwunden sind, sind immer noch Millionen von Flüchtlingen auf dem Weg in die Nachbarländer Afghanistans, in die europäischen Länder und in die USA.

Angesichts dieser dringenden Not ist es der falsche Zeitpunkt, nach Schuldigen zu suchen, die für die Entstehung der gesamten Afghanistan-Krise mitverantwortlich sind. Vielmehr geht es jetzt darum, konkrete Schritte zu unternehmen, um diese Not zu lindern. Mit diesem Aufruf bringt der Schweizerische Rat der Religionen seine Solidarität mit den Menschen in Afghanistan zum Ausdruck und fordert vor allem von den am Einsatz in Afghanistan beteiligten Staaten ein entschiedenes Eintreten für die universelle Gültigkeit der Menschenrechte. Der SCR fordert daher alle Regierungen auf, auf diese Notlage mit Menschlichkeit zu reagieren, schnelle Hilfe und Ausreise zu ermöglichen und Asyl zu gewähren.

Mit Genugtuung ist zu erwähnen, dass der Schweizer Bundesrat rechtzeitig auf die Krise in Afghanistan reagiert und humanitäre Hilfe für die leidgeprüfte Bevölkerung zur Verfügung gestellt hat. Darüber hinaus sollte der Bundesrat aber insbesondere politisch gefährdeten Afghanen sowie allein reisenden Frauen und Mädchen ein unkompliziertes Aufenthaltsrecht in der Schweiz gewähren, eine Tradition, die in unserem Land eine lange und bewährte Geschichte hat.

«Wir dürfen uns nicht abwenden», sagt der Vorsitzende des SCR, Bischof Dr. Harald Rein, «Millionen von Afghanen, darunter viele Frauen, ältere Menschen und Kinder, sind unverschuldet in eine Situation geraten, die sich immer mehr zur einer der grössten humanitären Krise der jüngeren Geschichte entwickelt. Deshalb sollten wir alle, unabhängig von unseren religiösen und kulturellen Zugehörigkeiten, unsere gemeinsamen Anstrengungen verstärken, um das Leid zu lindern.»

Der Schweizerische Rat der Religionen hat bereits am 7. November 2018 zur interreligiösen Erklärung zur Flüchtlingsfrage Stellung bezogen und dazu zwei Dokumente «Gegenüber ist immer ein Mensch» und fünf Appelle zum Schutz von Flüchtlingen «Wir sind uns einig» veröffentlicht.