In seinem ergänzenden Text «Evangelisch-reformierte Blickpunkte zum Verhüllungsverbot» teilt der Rat EKS mit dem Schweizerischen Rat der Religionen SCR die Skepsis betreffend der Verhältnismässigkeit der angestrebten Verfassungsänderung. Weiter hebt er zusätzlich demokratische, freiheitsrechtliche und Gleichstellungsaspekte hervor.

Der Rat EKS betont: Die Teilnahme an Öffentlichkeit und Demokratie beruht auf dem gleichen Recht einer jeden Person, zu sehen und gesehen, zu hören und gehört zu werden. Dies entspricht dem evangelischen Menschenbild, für das die Evangelisch-reformierte Kirche sich auch öffentlich einsetzt. Jedoch gilt auch: «Die unverwechselbare, öffentliche und unverhüllte Teilhabe einer jeden Person am gesellschaftlichen Leben kann aber generell nicht erzwungen werden.» An dieser Stelle erinnert das Papier an die Reformation, die wesentlich zum Selbstverständnis der heutigen liberalen Demokratie beigetragen hat.

Des Weiteren unterstreicht der Rat EKS die Aspekte der Gleichbehandlung der Geschlechter und die Freiwilligkeit. Die Beweggründe für eine Verschleierung, ob religiöse Überzeugung oder Zwang, lassen sich nicht auf den ersten Blick erkennen. Eine Enthüllung, die angeordnet ist, befreit die betroffenen Frauen nicht, sie muss vielmehr aus freien Stücken erfolgen können.

Die Einführung eines Verhüllungsverbots auf Verfassungsebene trägt hier zu keiner Lösung bei. Aus Sicht des Rates EKS müssen Grundrechte aktiv gelebt und gesellschaftlich ausgehandelt und eingefordert werden. Die persönlichen Freiheitsrechte enden erst dort, wo Staat und Gesellschaft als Ganzes bedroht sind. «Der Respekt vor der ernsthaften Frömmigkeit der gläubigen Person muss dem Befremden vor anderen religiösen Ausdrucksformen standhalten. Diese Zumutung sind sich die Mitglieder aller Religionsgemeinschaften in der pluralen Gesellschaft wechselseitig schuldig», stellt der Rat EKS klar.

Diese evangelisch-reformierte Stellungnahme gegen einen gesetzlichen Enthüllungszwang des Gesichts schlägt den gleichen Weg ein, wie die Position des SCR. «Als einzige Frau im Rat der Religionen werde ich unsere Gesprächspartner beim Wort nehmen und beobachten, ob sie die freie Entscheidung der Frauen in ihren Organisationen tatsächlich auch fördern und garantieren», sagt Rita Famos, Präsidentin der EKS.