Die jüngste Synode der EKS vom 12. bis zum 14. Juni hatte den Rat der EKS beauftragt, sich beim ÖRK für eine Prüfung der Möglichkeit einer Suspendierung der Russisch-Orthodoxen Kirche einzusetzen. Die Äusserungen des russischen Patriarchen Kyrill, in denen er den Krieg in der Ukraine unterstützte bzw. rechtfertigte, haben die gesamte Christenheit schockiert und zu tiefen Gräben innerhalb der orthodoxen Kirchen geführt bzw. diese noch vertieft.

Die 120 Delegierten des ÖRK-Zentralausschusses haben zugestimmt, das Thema auf die Tagungsordnung zu setzen. Schliesslich haben sie sich einstimmig dagegen entschieden, ein Verfahren zur Suspendierung der Russisch-Orthodoxen Kirche einzuleiten. In seiner abschliessenden Stellungnahme verurteilte der Zentralausschuss des ÖRK den Missbrauch religiöser Sprache zur Rechtfertigung des Krieges in der Ukraine jedoch deutlich und forderte die Russisch-Orthodoxe und die Ukrainisch-Orthodoxen Kirchen eindringlich auf, sich auf den Weg des Dialogs zu begeben. Der ÖRK zeichnet sich seit jeher dadurch aus, dass er Brücken zwischen seinen Mitgliedern bauen will, damit diese in einem Klima des Vertrauens arbeiten können. Der Zentralausschuss nahm auch den Antrag der Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) auf Mitgliedschaft im ÖRK an und lud Vertreter ukrainischer Kirchen zur Teilnahme an der Vollversammlung in Karlsruhe ein. Zeitgleich äusserte er seinen Willen, christlich begründete Nationalismen einer kritischen theologischen Prüfung unterziehen zu wollen. Der Generalsekretär plant eine baldige Reise sowohl nach Moskau als auch nach Kiew.

Im Anschluss an die Wortmeldung des Vertreters der EKS wurde der Prüfungsantrag entgegengenommen, erläutert und konnte an einer Sondersitzung diskutiert werden. Der Entscheid, dem Antrag nicht zu folgen, sowie auch das öffentliche Statement des ÖRK zum Ukraine-Krieg wurden gemeinsam mit den Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche gefällt.

«Die Diskussion fand in einer angespannten, fokussierten, aber auch respektvollen Atmosphäre statt», so Serge Fornerod, der die EKS im Zentralausschuss des ÖRK vertrat. «Die russischen Kollegen konnten ihre Fragen einbringen, was ein klares Zeichen für die Dialogbereitschaft aller Beteiligten gewertet werden kann. Ein junger Delegierter der russisch-orthodoxen Kirchen unterstrich, dass die junge Generation von orthodoxen Theologinnen und Theologen in den vergangenen Jahrzehnten stark von den Aus- und Weiterbildungsprogrammen des ÖRK profitieren konnte. Diese Offenheit würde abrupt enden, wenn eine oder beide Seiten sich dazu entschieden, die Türen zu schliessen. Es sei zentral, das theologische Fundament der Predigten des Patriarchen gemeinsam einer grundlegenden Prüfung zu unterziehen», so Fornerod.

Die Präsidentin der EKS, Rita Famos, äussert sich zum Bericht von Serge Fornerod: «Dass es möglich war, bereits zwei Tage nach der EKS-Synode das Anliegen der Motion im Zentralausschuss zu diskutieren, überrascht mich positiv. Der Entscheid, eine ukrainische Delegation nach Karlsruhe einzuladen, ist ein deutliches Zeichen. Das Statement des Zentralausschusses, das mit Zustimmung der Delegierten der Russisch-Orthodoxen Kirche verabschiedet wurde, spricht eine klare Sprache der Verurteilung der Legitimation des Krieges einerseits und des Willens, die Parteien an den Tisch zu bringen andererseits. Das ist zu begrüssen.»

Der Rat EKS wird sich während des Sommers mit dem Bericht des Vertreters der EKS im Zentralausschuss sowie mit dem weiteren Umgang mit der Motion beschäftigen.

Bei dieser ersten physischen Versammlung seit 2018 wählte der Zentralausschuss Prof. Jerry Pillay, einen presbyterianischen Pfarrer und Professoren für Theologie aus Südafrika, in das Amt des Generalsekretärs. Jerry Pillay war von 2010 bis 2017 Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen WGRK. Die EKS freut sich über die Wahl Pillays, mit dem sie bereits im Rahmen der Feierlichkeiten zu 500 Jahren Reformation zusammenarbeiten konnte.