Wurde die Gleichstellung bisher vor allem als Aufgabe der Frauen gesehen, wird im Hinblick auf eine gesamtgesellschaftliche und nachhaltige Veränderung immer deutlicher, dass es das Zusammenwirken aller Geschlechter braucht. So rückte die Herbsttagung der Frauen- und Genderkonferenz der EKS dieses Mal die Männerperspektive in den Fokus und konnte Markus Theunert, Autor («Jungs wir schaffen das – Ein Kompass für Männer von heute») und Gesamtleiter von Männer.ch, als Hauptreferenten gewinnen. Er gab einen Einblick in die gegenwärtigen Vorstellungen von Männlichkeit und Mann-Sein.

Ein Spannungsfeld tut sich dabei für Männer auf: Gewandelte Vorstellungen von Männlichkeit (egalitäre Aufgabenverteilung, sorgender Mann) und überdauernde Rollen (gelebte Realität weicht von Ideal ab, bedingt durchgesellschaftliche Erwartungen, Arbeitswelt). «Der typische Macho der 80er ist zum Problemfall geworden. Wir fordern von Männern Anstand und Respekt ein. Andererseits haben wir Strukturen, die das Männlichkeitsideal von Alphamännern mit Rücksichtslosigkeit und Leistungsstärke belohnen», so der Experte. Es entstehe vielfach eine Orientierungslosigkeit.

Theunert stellte drei Männergruppen vor: Die Progressiven befürworten die Gleichstellung und leben sie auch so weit wie möglich. Sie wird als Chance gesehen, auch wenn es Unsicherheiten gibt. Der Referent bat die Zuhörenden, diese Gruppe zu bestätigen und zu ermutigen. Die passiv-ambivalenten Pragmatiker finden die Gleichstellung grundsätzlich sinnvoll, leben sie aber nur oberflächlich. Die Umsetzung beurteilen sie als übertrieben, gleichmacherisch, ideologisch. Sie brauchen laut Theunert Räume, Orientierung, Ressourcen und Unterstützung. Die Gruppe der regressiven Männer positioniert sich bewusst gegen Gleichstellung: eine binäre, heteronormative und hierarchische Geschlechter¬ordnung wird bejaht, gelebt und als gott- oder naturgegebene Norm eingefordert. Der Experte riet, dieser Position mit einer klaren Absage an das Patriachat entgegenzutreten.
Er ermutigte die Teilnehmenden, kirchliche Männerarbeit als Labor zur Veränderung zu nutzen. Sie kann eine Alternative zu überholten, dysfunktionalen, selbst- und fremdausbeuterischen Männlichkeitsnormen setzen, schafft Gemeinschaft und Raum für Sinnsuche. Mehr noch: Männerarbeit in der Kirche ist notwendig und zugleich eine grosse Provokation, besonders machtpolitisch.

Im von Sabine Scheuter (Präsidentin FGK) moderierten Podiumsgespräch diskutierten im Anschluss Matthias Plattner (Pfarrer und Kirchenrat Baselland), Ursula Vock (Beauftragte für die Aus- und Weiterbildung Pfarrschaft A+W) und Nicolas Luthi (Pfarrer LeLab Church Genf) weiter über Männerbilder und -arbeit aus kirchlicher Sicht. Vock unterstrich: «Es gibt nicht den Mann. Unter meinen Studierenden gibt es viele Progressive und Pragmatische.» Sie sprach von einer Vervielfältigung der Rollenbilder, es werde sich mehr mit Geschlechterrollen auseinandergesetzt.

Alle stimmten Plattner zu: Kirche muss in der Gleichstellung Vorbild sein, insbesondere durch das Schaffen von Teilzeitstellen und Strukturänderungen in kirchlicher Leadership. Antigender- und Antiwoke-Wellen dürfen von der Kirche nicht gefürchtet werden. «Ich sehe Menschen, die viel mehr experimentieren. Das ist eine Chance in der Selbstfindung. Wir müssen achtsam weitergehen.» Für Luthi auch eine theologische und liturgische Aufgabe: «Der Wandel von Gottesbildern, weg vom Binären, muss immer weitergetrieben werden.» Die Menschen müssten sich in ansprechenden Bildern wiederfinden. Vock machte abschliessend deutlich, dass Geschlechtergerechtigkeit in alle Aspekte kirchlicher Arbeit hineinspielen muss, schon allein um zu verhandeln, wie wir miteinander leben möchten.

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