Michèle Graf-Kaiser, EKS Kommunikation

Austausch

Die Vollversammlung ist wahrlich ein kleiner Planet für sich. Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht in unserer Bubble bleiben. Doch die meisten überschreiten diese gefühlte Grenze schon an der Kaffeebar. Da plaudert der Pfarrer aus Schweden locker mit dem Kollegen aus Samoa, am Kickertisch der EKD duellieren sich Kongo, Finnland und Kanada, um danach über ihre Kirchen zu sprechen und letztendlich festzustellen: «Es gibt so viele Wege, um letztlich das Gleiche zu sagen.» Das generiert Vertrautheit. Man findet sich über diesen gemeinsamen Nenner, geht mit grosser Neugierde auf das «Fremde» zu.

Geist

Am lebendigsten spürt man dies in den morgendlichen Gebetsstunden. Singen auf Suaheli, koreanisch oder arabisch: Die Teilnehmenden trauen sich an alles heran. Diese Gottesdienste entwickeln eine Kraft und eine Welle des Geistes, die einfach mitreisst. Delegierter Heinz Fäh fasste es heute treffend zusammen: «Nicht die Beschreibung der Kirche ist das wichtig, sondern das Erleben. Dann spüren wir etwas vom Wehen des Geistes, der letztlich die Kirche bildet und trägt.» Man muss nicht alles verstehen, nur mitgehen, sich hineinbegeben, immer mit der Sicherheit im Rücken: Wir beten zum gleichen Gott.

Inhalt

Neben all den wertvollen und anregenden Begegnungen, darf die ökumenische Arbeit nicht zu kurz kommen. Besonders den Delegierten rauchen die Köpfe. Heute  fanden die letzten Treffen der Gruppen der ökumenischen Gespräche statt. Auf den ersten Blick eine ziemlich steife Sache. Zu vom ÖRK vorbereiteten Themen können die Teilnehmenden sich äussern. Danach wird ein dreiseitiger Report mit Herausforderungen und Anfragen den den ÖRK erstellt. Dieser geht nach der Vollversammlung in Kommissionen (wie Faith and Order) und wird dann im ÖRK-Zentralkommitee diskutiert. Hier wird um Worte gestritten, um Begriffe gerungen, das Für und Wider abgewogen. Eine Fachdiskussion unter Theologinnen und Theologen.

In der Gruppe Broadening the Dialogue on the Church ging es um Ekklesiologie. Hier treten Lutheraner, Anglikaner, Orthodoxe, Heilsarmee-Angehörige, Reformierte, Kopten, irische Methodisten, Katholiken und Baptisten ans Mikrofon, jede Änderung am Report wird abgestimmt. Und die Teilnehmenden haben ziemlich viele Anfragen an Faith and Order, besonders über die Kirche im Digitalen Raum und die Zunahme der Denominationen, die auch im ökumenischen Dialog teilnehmen sollten. Liest man zwischen den Zeilen und Fachbegriffen, merkt man, dass es bei allen so kleinlich wirkenden Wortänderungswünschen um Prinzipien und Fragen geht, die die Basis der Kirchen angehen: Wie wollen wir Kirche leben? Wie kommen wir in Zukunft zusammen?

Danach gefragt, was er aus der ökumenischen Gesprächsgruppe mitnehme, nennt Delegierter Heinz Fäh mehrere Punkte: «Der Prior von Taizé, Frère Alois, sagte uns, dass es einen Kontinent der Jugend gibt, der sich von der Kirche abgekoppelt hat. Aber es gibt auch Formen, die junge Menschen ansprechen, in denen sie Spiritualität erleben können.» Bei all den Erlebnissen, die Kirche heute schafft, um ansprechend zu sein, müsse sie sich auch fragen lassen: «Wenn Glaube etwas ist, was deine Identität prägen soll, wo sind eure Regeln, wo ist die dahinterliegende Theologie, wo ist die gemeinsame Sprache, die verbindet?» Dies brachten in den Konversationen besonders die orthodoxen Vertreter ein. Theologie ist das tragende Gerüst und das Fundament. Es läuft schon das orientalisch gestaltete Abendgebet, als Fäh anmerkt: «Letztlich stehen wir auf den Schultern dieser Traditionen. Dieses Geschichtsbewusstsein wäre für uns Reformierte sehr wichtig. Wenn wir uns davon abkoppeln, gewinnen wir vielleicht Freiheit, verlieren aber an Tiefe. Deshalb ist der Austausch der unterschiedlichen Konfessionen auch so wichtig.»