Bibelstudium – Ostern

11. Vollversammlung

Als Teil einer Reihe von Bibelstudien zur Vorbereitung der 11. ÖRK-Vollversammlung wurde dieser fünfte Text von Bischof Maxim (Vasiljevic), Bischof der Diözese Los Angeles und Westamerika der Serbisch-Orthodoxen Kirche, verfasst.

Einleitung

Die Blumen sind hervorgekommen im Lande; die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande.
– Hohelied 2,12

Unser Herr wurde gekreuzigt, ist gestorben und wurde am Freitag bevor Sonnenuntergang begraben. Das war der erste seiner „drei Tage“ im Grab. Dabei hielt er den mystischen Sabbat ein, den „siebenten Tag“, an dem gesagt wird, dass der Herr „ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte“ (Gen.2,2-3). Er verbrachte den ganzen Samstag im Grab, dann auferstand er „früh am ersten Tag der Woche, als es noch finster war“, (Joh. 20,1) am Sonntag, dem dritten Tag, der nach hebräischer Zeitrechnung am Samstag nach Sonnenuntergang begann.

Die Verehrung des auferstandenen Christi durch seine Jünger und die Anbetung, die ihm als „Herrn“, der nach seiner Himmelfahrt zur Rechten des Vaters sitzt, dargebracht wird, bildet die Leitlinie des christlichen Gottesdienstes. Die Mahlzeiten, die die Jünger mit dem auferstandenen Herrn einnahmen, geben dem mystischen Letzten Abendmahl seinen Sinn und werden zur ersten Form der göttlichen Eucharistie. All das geschah, weil die Auferstehung ein eschatologisches und nicht einfach ein historisches Ereignis ist. Sie markiert die letzte Handlung Gottes in der Geschichte, den Sieg über den „letzten Feind“, den Tod, und den Anbruch des „jüngsten Tages“. Dieser „jüngste Tag“, der für den letzten Adam zur Wirklichkeit wurde, wird bei der Wiederkunft des Herrn für die gesamte Schöpfung Wirklichkeit werden.

Der Glaube an den wiederauferstandenen Christus beinhaltete von Anfang an zwei Elemente: auf der einen Seite eine Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, insbesondere in Form von gemeinsam mit ihm eingenommenen Mahlzeiten. Auf der anderen Seite die Erwartung seiner Rückkehr, seiner Parusie, die dem Leid, der Ungerechtigkeit, dem Tod und der Verfolgung seiner Anhänger ein Ende setzen würde. Das bedeutete, dass die christliche Spiritualität als Dialektik zwischen Geschichte und Eschatologie erfahren werden musste, als feste Überzeugung, dass das Reich Gottes gekommen ist, und gleichzeitig als inbrünstiges Gebet und die Erwartung, dass es bald kommen möge.

Wenn wir diese freudige Auferstehung feiern, grüßen wir uns im Namen Christi und nehmen einander in Christus an. Damit beweisen wir den Sieg unseres Heilands über Tod und Verderbnis, die Zerschlagung unserer alten Feindschaft mit Gott und seine Versöhnung mit uns sowie unsere Erbschaft des ewigen Lebens. Das Fest selbst heißt Passah, das vom hebräischen Wort abgeleitet wurde und „Übertritt“ bedeutet. Denn Christus, der litt und auferstand, führte uns aus der Verdammung Adams und der Sklaverei des Teufels und des Todes in unsere ursprüngliche Freiheit und Seligkeit hinüber.

In den Tagen vor der Feier der glorreichen Auferstehung unseres Herrn bereiten wir uns in freudiger Erwartung darauf vor. Wir bereiten das Osterlamm zu, kochen und färben Eier, backen süßes Hefegebäck, machen oder kaufen Käse und besorgen oder kochen was wir uns sonst noch an festlichen Speisen wünschen. Nach der Osterliturgie schlägt man ein Ei an das Ei seines Nebenmanns oder seiner Nebenfrau, schält es und isst es.

Bibelstelle: Markus 16,1-8

Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.

Besinnung

Von der Antike bis heute und bis ans Ende aller Tage ist das Leben im auferstandenen Christus und die siegreiche Begegnung mit ihm in allen Nöten die Kraft, das Zeugnis und das Merkmal der Kirche. Und das freudige Zeugnis für die ganze Welt, für jeden Menschen und jedes Zeitalter, dass es eine Möglichkeit für das Leben gibt.

Alles, was es dazu braucht, ist der Mut bzw. die Kühnheit des Glaubens. So geschehen mit den Frauen, die Myrrhe brachten. Was konnten sie, die vor Liebe für ihren Lehrer überflossen, tun? Sie nahmen Myrrhe mit, um ihren Lehrer, der gestorben war, zu salben. Dadurch erlebten sie die Myrrhe der Auferstehung – sie trugen die Myrrhe, die den Tod überwindet. Der Engel sprach zu ihnen: „Er ist auferstanden…, geht […] hin und sagt [es] seinen Jüngern und Petrus.“ Als sie aus dem Grab kamen, sprachen sie mit niemandem, denn sie hatten Angst. Doch damit, dass sie niemandem etwas sagten, ist gemeint, dass sie allen alles sagten. Dass sie Angst hatten, bedeutet, dass sie auf keinen Fall einen falschen Eindruck von dem vermitteln wollten, was sie gesehen oder erlebt hatten. Denn wer diese Erfahrung der Auferstehung annimmt, spricht nicht darüber. Und gleichzeitig spricht er unentwegt darüber, durch seine Worte und sein Schweigen.

„Das Reich des Lebens ist gekommen und die Herrschaft des Todes ist zerschlagen; eine andere Geburt ist geschehen, eine andere Art zu leben, eine andere Art von Leben, eine elementare Veränderung in unserem Wesen selbst“ (Heiliger Gregor von Nyssa, Die drei Tage zwischen Tod und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus).Eschatologisch zu leben bedeutet, Gott zu erlauben, in die Geschichte einzutreten, nicht erst am Ende, sondern zu jedem beliebigen Zeitpunkt – was durch die Auferstehung als historisches Ereignis möglich wird – und so die Zeit umzugestalten.

Die COVID-19-Pandemie erinnert uns daran, dass wir dazu aufgerufen sind, während des Sturms den Weg zur Ruhe zu weisen und auf das Chaos mit Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Demut zu reagieren. Die Menschen, die so sehr kämpfen und leiden und weinen, sind sicher bereit, das Evangelium der Auferstehung zu empfangen, in das Freudenfest einzustimmen, damit wir alle gemeinsam in der Kirche Gottes leben können, vereint im Wort des Herrn, der Mensch wurde, um die Menschheit zu retten, der sich für alle geopfert hat, der alles bietet und alle Menschen umfängt, selbst diejenigen, die ihn gekreuzigt haben.

Paulus führte die Zukunft als hermeneutisches Mittel ein: „Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden“. (1. Kor. 15,16). Paulus wollte darauf hinweisen, dass die Auferstehung Christi sinnlos wäre, wenn sie nicht im Ganzen umgesetzt würde, das heißt wenn der ganze Leib nicht implizit mit dem Haupt „vorauferstanden“ wäre. Die „Vorwegnahme“ der Zukunft der Welt in der Auferstehung Christi bezeichnet die zukünftige, noch zu erledigende Arbeit der Kirche.

Die Kirche steht für die Versammlung beim Festmahl des Lebens, wo wir die für das wahrhaftige Dasein notwendige Nahrung, das Ostergeheimnis Christi, zu uns nehmen. Die Apostel gaben die Wahrheit der Auferstehung an die Kirche weiter, die dieses größte christologische Ereignis vor allem in den eucharistischen Versammlungen offenbart und feiert.

In der Osterpredigt des heiligen Johannes Chrysostomus, die am Ende jeder Ostermatutin gelesen wird, kommt das Wunder des kommenden Zeitalters zum Vorschein, der Sieg des Lebens über den Tod, der Triumph der unbeschreiblichen Liebe über menschliche Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit. Sie löst alles auf und erstaunt die Gerechten und die Ungerechten, die Lebenden und jene, die entschlafen sind. Der heilige Johannes Chrysostomus ruft alle zur Freude der Auferstehung. Um das deutlich zu machen, verwendet er die positive Form „uns alle“ und die negative Form „niemand“: „Geht also alle ein in die Freude unseres Herrn. Alle genießet vom Gastmahl des Glaubens“ und „Niemand gehe hungrig hinaus. Niemand betrauere Übertretungen. Niemand fürchte den Tod.“

Der Gottmensch besticht durch seine Haltung, die die unergründliche eschatologische Neuheit der Liebe offenbart und ausstrahlt, er, der einst ans Kreuz gehoben wurde, in den Hades hinabstiegen und aus dem Grab auferstanden war.

Fragen für weitere Reflexionen

  1. Was bedeutet „von den Toten auferstanden“?
  2. Wie erkennt eine bestimmte Generation und Kultur Christus als ihren Heiland?
  3. Wer ist Jesus Christus für jeden einzelnen Seinszustand, für jede Epoche und nicht nur für das apostolische Zeitalter?
  4. Warum ist Christus das einzig Neue, das jemals unter der Sonne erschienen ist?
  5. Sollen wir der Auferstehung eine selbstverständliche Realität zuschreiben, oder sollen wir sie als ein Ereignis betrachten, das erwartet wird und noch bestätigt werden muss?

Gebet

Würdig ist es und recht, Dich zu preisen, Dich zu segnen, Dich zu loben, Dir Dank zu sagen und Dich anzubeten an jedem Ort Deiner Herrschaft. Denn Du bist Gott, der unaussprechliche, unergründliche, unsichtbare, unbegreifliche, immerseiende und gleichbleibende: Du und Dein einziggezeugter Sohn und Dein Heiliger Geist. Du hast uns aus dem Nichtsein ins Dasein geführt und uns Gefallene wieder aufgerichtet und hast nicht nachgelassen, alles zu tun, bis Du uns in den Himmel emporgeführt und uns Dein künftiges Königtum gnädig geschenkt hattest. Für all das danken wir Dir und Deinem einziggezeugten Sohn und Deinem Heiligen Geist, für alle uns erwiesenen Wohltaten, die wir kennen und die wir nicht kennen, die offenbaren und die verborgenen. Wir danken Dir auch für diese Liturgie, die Du aus unseren Händen anzunehmen geruhst, obgleich Dich Tausende von Erzengeln und Zehntausende von Engeln umgeben, die Cherubim und die Seraphim, die sechsflügeligen, vieläugigen, hoch schwebenden, auf Flügeln sich erhebenden. (Aus dem orthodoxen Hochgebet) [Übers. aus dem ökumenischen Heiligenlexikon]

Kirchenlieder 

Apolytikion des heiligen Passah-Fests

Christus ist von den Toten auferstanden, vom Tod, 
und hat den Tod zertreten, 
und denen in den Gräbern hat Er das Leben geschenkt. 

Jahreszeitliches Kontakion

Obwohl Du in das Grab hinabgestiegen bist, 
hast Du die Macht des Hades gebrochen, 
und Du bist als Sieger auferstanden, Christus, Gott, 
der zu den Myrrhe tragenden Frauen sagte: „Freuet euch!“
Du, der Du die Gefallenen aufrichtest, schenkst Deinen Jüngern Frieden.

Ein Kirchenlied aus der Morgenmatutin an Ostern

Kommt, lasst uns ein neues Getränk trinken, 
nicht wie durch ein Wunder aus einem unfruchtbaren Felsen gepresst,
sondern aus der Quelle der Unvergänglichkeit, die aus dem Grab Christi entspringt, 
durch den wir gestärkt sind.

Über den Autor

Bischof Maksim (Vasiljević) ist Bischof der Diözese von Los Angeles und Westamerika der serbisch-orthodoxen Kirche. 1999 wurde ihm von der Universität von Athen der Doktortitel in Dogmatik und Patristik verliehen. Der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit liegt auf seinen Langzeitstudien und der Forschung zu Kirchenvätern, Theologie, Ikonologie und verschiedenen anderen Themen. Er schrieb unter anderem die Bücher History, Truth, Holiness: Studies in Theological Ontology and Epistemology (Sebastian Press, 2011) und Theology as Surprise: Patristic and Pastoral Insights (St. Vladimir’s Seminary Press, 2018).